Zwangsheirat
Der Bund blockiert nach Ansicht von Justizminister Goll die Verschärfung des Strafrechts bei Zwangsheiraten. Der Liberale wünscht sich eine abschreckende Wirkung.
Justizminister Ulrich Goll hat der Großen Koalition in Berlin eine Blockade im Kampf gegen die Zwangsheirat bei Migranten vorgeworfen. Die Rechtspolitiker von Union- und SPD-Fraktion hätten die im Koalitionsvertrag vereinbarte
Verschärfung des Strafrechts durch " eine Absprache ausgehebelt", sagte Goll in Stuttgart.
Dabei hätten sie das längst überholte Argument angeführt, Zwangsheirat falle unter den Tatbestand Nötigung. Indes habe der Bundesrat bereits vor über einem Jahr beschlossen, sie als eigenen Tatbestand ins
Strafrecht aufzunehmen.
Dabei geht es vor allem um die "abschreckende Signalwirkung", sagte der Politiker. Zwar werde mit der Novelle des Zuwanderungsgesetzes der Nachzug von jungen Frauen beschränkt. Im Rahmen des Familiennachzugs dürfen nur noch
18-jährige nach Deutschland kommen; zudem müssen sie Deutschkenntnisse nachweisen.
Doch wenn der Bund die Verschärfung des Strafrechts blockiere, sei das ein "Faustschlag für die über 1000 Frauen in Deutschland, die gegen ihren Willen zwangsverheiratet werden", sagte der Integrationsbeautragte des
Landes.
Goll unterstrich die Forderung des Bundesrats, die Opfer von Zwangsverheiratung auch zivilrechtlich zu stärken. Im Mai hätten die Länder die Bundesregierung aufgefordert, das Zuwanderungsgesetz entsprechend zu ändern.
So sollen Opfer einen eigenständigen Aufenthaltstitel in Deutschland erhalten. Zudem sollen sie problemlos in die Bundesrepublik zurückkehren können.
Der Justizminister legte heute dem Landeskabinett ein Konzept mit weitergehenden Maßnahmen vor. Er umfasst ein Bündel von Hilfs- und Beratungsangeboten für die Opfer sowie präventive Maßnahmen wie Informationen
in Schulen.
Aus Sicht der Frauenrechtsorganisation Terre de Femmes biete das neue Zuwanderungsrecht keinen ausreichenden Schutz vor Zwangsheiraten.
"Das Gesetz ist ein Schlag ins Gesicht", sagte Sibylle Schreiber in Tübingen.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble benutzte die Verhinderung von Zwangsheiraten als "Allibi-Argumen", um die Zuwanderung zu begrenzen.
"Wie sollen Frauen zum Beispiel in ländlichen Regionen Afghanistans Deutsch lernen? Das ist völlig ausgeschlossen", kritisierte Sibylle Schreiber.
Südwestpresse, 19.06.07
Letzte Änderung: 21.11.2007