Der Graben wird tiefer
In keinem anderen Industrieland öffnete sich die Einkommensschere in den letzten Jahren so weit. In vielen anderen Ländern gab es nach Angaben der OECD dagegen kaum Bewegung bei der Lohnschere.
Die Einkommensschere ist in Deutschland in den letzten Jahren im internationalen Vergleich überdurchschnittlich weit auseinander gegangen. Nach einem Beschäftigungsausblick der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verdienen Spitzenkräfte im Jahr 2005 im Schnitt 3,1 mal so viel wie die 10 Prozent mit den niedrigsten Löhnen. 1995 waren es nur 2,8 Prozent mal so viel.
In Frankreich, Finnland, Japan, Schweden und den Niederlande habe sich die Lohnschere in diesem Zeitraum kaum geöffnet. In Spanien und Irland seien die Löhne für Geriengverdiener sogar schneller gewachsen als für
Spitzenkräfte, erklärte die OECD.
Zugleich sank der Anteil der Löhne an der Wirtschaftsleistung in Deutschland überdurchschnittlich schnell - von 59,8 auf 56, 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das die gesamte in Deutschland erzeugte wirtschaftliche Leistung
widerspiegelt. In den 20 OECD-Ländern ging diese Quote dagegen nur von 61,6 auf 59.6 Prozent zurück.
Positiv ist, dass die Beschäftigungsquote in Deutschland der Angaben zufolge etwas stärker als der OECD-Durchschnitt gestiegen ist. Allerdings sei in Deutschland einer von zwei Arbeitslosen länger als ein Jahr ohne
Beschäftigung. Dieser Wert liege in der OECD nur in der Slowakei höher.
Deutschland sollte Arbeitnehmer stärker und effektiver dabei unterstützen, die Herausforderungen der neuen globalen Ökonomie zu meistern meinte die OECD.
Arbeitseinkommen sollten bei der Finanzierung der sozialen Sicherung entlastet werden, um relative Einkommensverluste auszugleichen, erklärte OECD-Beschäftigungsexperte Raymond Torres.
Zugleich empfahl die Studie, den Wechsel in neue Arbeitsplätze zu erleichtern, ohne den Beschäftigten die soziale Sicherheit zu nehmen. Als Beispiel nannte die OECD Österreich, wo die Arbeitgeber regelmäßig
für jeden Beschäftigten Beiträge auf ein individuelles Konto zahlten.
Bei einem Arbeitspatzverlust könnten diese Mittel statt einer Abfindung genutzt oder auf den neuen Job übertragen werden. Werde das Geld nicht in Anspruch genommen, diene es als Zusatzrente.
Im Blick auf die Industriestaaten insgesamt, rechnet die OECD bis 2008 mit einer Abschwächung beim Beschäftigungszuwachs. Im laufenden Jahr erwartet die Organisation nur noch eine Zunahme bei der Zahl der Beschäftigten von
1,3 Prozent nach einem Plus von 1,6 Prozent im abgelaufenen Jahr. Vor allem in den USA dürfte das Wachstum der Beschäftigtenzahlen deutlich nachlassen.
Südwestpresse, 20.06.07
Letzte Änderung: 21.11.2007