Die Hauptschule vorn - virtuell

30.06.2007 Wie die CDU-Fraktion eine Abstimmung manipulierte

Hauptschule ja, Hauptschule nein? Der SWR ließ im Internet über Minister Raus Reform abstimmen. Hinten den Kulissen beteiligte sich aktiv die CDU - mit Erfolg.
"Ist die Hauptschule noch zu retten?" Landauf, landab wird die Frage seit Wochen gestellt. Und beantwortet: Mehr als 100 Hauptschulrektoren haben öffentlich den Daumen gesenkt, SPD und Grüne im Landtag auch. Die Landesregierung aber will im Grundsatz am dreigliedrigen Schulsystem festhalten.
Mit viel Geld nimmt Kultusminister Helmut Rau (CDU) einen neuen Reformanlauf.
Der Südwestrundfunk (SWR) nutzte das Thema für eine Internet-Abstimmung. "Kultusminister Rau schlägt den richtigen Weg ein. Die Hauptschule ist reformierbar und muss erhalten bleiben", konnte man seit Dienstagnachmittag auf der SWR -Internet-Seite anklicken.
Oder: "Die Hauptschule ist nicht mehr zu retten. Sie soll durch ein neues Schulsystem ersetzt werden." Wie immer wurde auch die prozentuale Klick-Verteilung ausgeworfen.
Als am Mittwoch etwa 2500 Nutzer abgestimmt hatten und ein klarer Vorsprung der Kritiker gemeldet wurde, sprangen in der CDU-Landtagsfraktion die Ampeln auf Rot - und Heiko Kusche, der stellvertretende Pressesprecher, eilte an seinen Computer, um eine brandeilige E-Mail abzusetzen: Man möge doch bitte die SWR -Seite aufrufen, schrieb Kusche an vermeintlich nur Gleichgesinnte.
"Zurzeit steht ungefähr 44:56 gegen uns. Vielleicht können wir etwas Einfluss nehmen. Bitte prüfen sie eine Weiterleitung über Ihren Verteiler!"
Es wurde geprüft - und siehe da: Am Donnerstag drehte sich die Einstellung zur Einstellung der Hauptschule um 180 Grad: Nach mehr als 1300 neuen Klicks stand es gestern Nachmittag plötzlich 54,4 Prozent zu 45,6 Prozent für die Rettung der Hauptschule.
Die CDU hatte ganz offensichtlich erfolgreich Front gemacht.
Beim SWR weiß man um die Möglichkeit des "Missbrauchs" durch organisierte Internet-Abstimmungen. Beim Konflikt zwischen der Telekom und der Gewerkschaft Verdi um Stellenabbau sei jüngst das Voting "förmlich explodiert".
Ein beamtetes CDU-Mitglied, das indirekt Empfänger der Fraktions-Mail war, schüttelte gestern nur den Kopf: "Es wäre nützlicher, es wurde in den Amtsstuben solide Politik gemacht, statt am Computer gespielt".
Südwestpresse,30.06.07

Letzte Änderung: 21.11.2007