Bannspruch für den Drahtesel
Müssen Radfahrer, die betrunken erwisch werden, künftig ihren Drahtesel stehen lassen? Die Behörden in der Region Hannover planen solche Strafen.
Die Polizei hatte einen 30-jährigen Radfahrer zugedröhnt aufgegriffen: die Blutprobe ergab mehr als 2 Promille Alkohol, außerdem wurde Drogenkonsum nachgewiesen.
Dies meldeten die Ordnungshüter der Straßenverkehrsbehörde. Und die forderte den Mann auf, sich entweder einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu unterziehen, oder er sollte freiwillig eine
Verzichtserklärung aufs Radfahren unterschreiben. Es bestünden nämlich erhebliche Zweifel an der Eignung als Fahrzeugführer.
Sollte er der Aufforderung nicht nachkommen, werde ihn die Behörde zwangsweise zum Gehen verpflichten.
Das steht nun offenbar bevor. Zum Idiotentest will der Mann, der keinen Führerschein hat, nicht. Als Hartz IV Empfänger könne er sich die Kosten dafür von 800 Euro nicht leisten. Da er aber auf sein Fahrrad als
Fortbewegungsmittel angewiesen sei, werde man ein Verbot beim Verwaltungsgericht anfechten, kündigen seine Anwälte an:
"Wir sehen dafür keine Rechtsgrundlage", meint Jurist Jens Beismann.
Die Behörde beruft sich auf die Fahrerlaubnisverordnung, wonach man ungeeigneten Personen das Führen von Fahrzeugen und Tieren verbieten kann.
"Und Fahrzeug bedeutet nicht Kraftfahrzeug" betont Regierungssprecherin Karin Gärtner. Von motorisierten Fahrzeugen sei dort jedenfalls nicht die Rede.
Wer betrunken aufs Rad steige, zeige deutlich, dass er nicht in der Lage sei, ein Fahrzeug sicher zu führen. Noch handele es sich um einen Einzelfall; aber Polizei und Mitarbeiter der Straßenverkehrsbehörde seien für
das Problem sensibilisiert.
Die Gerichte bewerten Radfahren mit mehr als 1,6 Promille Alkohol im Blut als strafbare Straßenverkehrsgefährdung. Bei Kraftfahrzeugen ist das ab 1,1 Promille der Fall. In beiden Fällen kann dem Betroffenen der
Führerschein für Kraftfahrzeuge entzogen werden.
Ein Fahrverbot für Fahrräder sei dagegen "mehr als ungewöhnlich", meint der Vorsitzende der Verkehrsanwälte im Deutschen Anwaltverein, Jörg Elsner erstaunt. Auch für Niedersachsens Justiz ist das Neuland:
"Uns ist kein einziger Fall bekannt", sagt Heike Bremer, Richterin am Oberverwaltungsgericht Lüneburg.
Südwestpresse, 02.08.07
Letzte Änderung: 21.11.2007