Pflege zu Schnäppchenpreisen
Pflege zu Schnäppchenpreisen verspricht ein Bremer Unternehmen. Die Löhne für osteuropäische Kräfte von 2 (zwei!) Euro pro Stunde rufen Kritiker auf den Plan.
Mit einem neuen Angebot drängt ein Bremen Unternehmen auf den Pflegemarkt: Mit osteuropäischen Personal bietet er eine 24-Stunden-Betreuung zu Discountpreisen an. Als Konkurrenz zu den Pflegediensten versteht sich das
Unternehmen McPflege nach eigenen Angaben nicht. Denn die Leistung des Vermittlungsdienstes, der auf Kräfte ausländischer Pflegedienste zurückgreift, können nicht mit der Pflegekasse abgerechnet werden.
Gleichwohl befürchten Wohlfahrts- und Berufsverbände sowie die Gewerkschaft Verdi Auswirkungen auf den Pflegemarkt.
Das Bremer Unternehmen, das innerhalb der nächsten 12 Monate 20 Vertriebsniederlassungen in Deutschland aufbauen will, bietet eine Rund- um- die -Uhr Betreuung zu einem monatlichen Pauschalpreis von 1500 bis 1700 Euro an,
zuzüglich eines jährlich anfallenden einmaligen Vermittlungshonorars von 570 Euro. Dafür stünde ausgebildetes, sozialversichertes und deutschsprachiges Personal aus Osteuropa - derzeit vor allem Ungarn - zur
Verfügung.
Mit Stundenlöhnen von 2 Euro können deutsche Fachkräfte nicht mithalten.
"Die Pflege wird immer weiter entwertet", beklagt Claudia Pohl, Referentin für ambulante Pflege beim Bundesverband für Pflegeberufe. Sie sieht die Qualität der einschlägigen Dienste in Gefahr.
Während ambulante Pflegedienste ihre Mitarbeiter anleiten, begleiten und auch kontrollieren müssen, arbeitet McPflege laut Pohl " in einem leeren Raum". Solange die Leistungen nicht mit der Kranken- und Pflegekasse abgerechnet
werden, müssen Billiganbieter ihre Arbeit weder dokumentieren noch wird sie kontrolliert. "Die Qualitätssicherung ist damit nicht gewährleistet."
Eine Überforderung der Pflegekräfte befürchtet Elisabeth Frischhut, Referentin für ambulante häusliche Pflege beim Deutschen Caritasverband in Freiburg. Bei einem Rund-um-die-Uhr-Arbeitsverhältnis könne
sich jeder vorstellen, was das für die zu Pflegenden bedeute. Die hohe psychische und physische Belastung der Pflegekräfte könne Gewalt fördern - von beiden Seiten.
Die Pflege wird in Deutschland überwiegend von Angehörigen geleistet. 40 Prozent aller privat Pflegenden sind dabei zusätzlich berufstätig und auf finanzierbare Unterstützung angewiesen. Darauf deutet auch die
Beschäftigung von schätzungsweise 100 000 illegalen Pflegekräften in Deutschland hin, wie Gabriele Feld-Fritz, Verdi-Gewerkschaftssekretärin in Berlin, verdeutlich.
Dass die Lücke nur mit Kräften geschlossen wird, die weder Arbeit- noch Gesundheitsschutz genießen, ist für sie nicht hinnehmbar.
"Wir brauchen dringend ein Entsendegesetz für alle Branchen und einen Mindestlohn von 7,50 Euro als unterste Auffanglinie."
Kommentar "Eine Zumutung" von Elisabeth Zoll
So billig war Pflege noch nie. Für 2 Euro pro Stunde bietet eine Bremer Agentur Betreuung rund um die Uhr. Das Angebot zielt nicht nur auf den Geldbeutel der Angehörigen, es trifft mitten in eine Schwachstelle des deutschen
Pflegesystems.
Hunderttausende meist alter Menschen werden in diesem System nicht erfasst. Sie brauchen Unterstützung, weil sie alt und hinfällig sind, nicht aber pflegebedürftig nach den Kriterien und in dem Maße, wie sie der
Medizinische Dienst der Krankenkassen mit seinen Gutachten erfasst.
Damit fallen sie unter die Pflegestufe null. Finanzielle Hilfe gibt es dann keine. Die Kosten einer Betreuung belasten somit komplett das Familienbudget. Dass Angehörige da nach bezahlbaren Wegen suchen, darf ihnen niemand
verdenken.
Doch McPflege - schon der Name ist eine Zumutung - darf die Lösung nicht heißen.
Denn nicht der Preis allein darf beim Umgang mit hilfsbedürftigen Menschen bestimmen, wer zum Zuge kommt. Pflege braucht messbare Standards, die mit verbindlichen Hausbesuchen auch überprüft werden müssen. Und sie
erfordert ein differenziertes Angebot. Medizinische Leistungen und Hilfen bei der täglichen Hygiene allein sind noch keine Pflege. Dazu braucht es Ansprache, Kontakt und Zuwendung.
Es wird Zeit, den engstirnigen Pflegebegriff zu überarbeiten.
Südwestpresse, 04.08.07
Letzte Änderung: 21.11.2007