Abschwung Ost

05.08.2007 Was "Soli" heißt und als Solidarzuschlag 1991 auf die Welt kam, wurde in Wirklichkeit eine Steuererhöhung

"Wenn wir uns einig sind, gibt es wenig, was wir nicht können. Wenn wir uneins sind, gibt es wenig, was wir können."
John F. Kennedy

Das Kind hat einen Geburtsfehler: Was "Soli" heißt und als Solidarzuschlag 1991 auf die Welt kam, wurde in Wirklichkeit eine hundsgewöhnliche Steuererhöhung. Dass die jetzt aktuell auf die Tagesordnung kommt, dafür hat der Bund der Steuerzahler gesorgt. Der ist eine gute Adresse für unbequeme Themen, auch wenn die manchem nicht passen. Der Soli wird gleichermaßen in West wie Ost erhoben und für die unterschiedlichsten Zwecke verwendet.
Diese Zwecke liegen bis jetzt allerdings überwiegend in Ost - 10 000 Millionen Euro jedes Jahr.
Wo es warm raus kommt, da ist der Missbrauch nicht weit. So hat die feine Porzellanstadt Meisen ein Luxusparkhaus für Fahrräder gebaut für reichlich 125 000 Euro. Denn die getönten Scheiben und das Kupferdach wollen bezahlt sein, ebenso der Motor, der die Räder im Karussell dreht. Drehen sollte, denn die Pracht hat nie funktioniert. In sieben Jahren konnte das Gebäude bisher ganze sechs Wochen genutzt werden.
Gehen wir in die Millionen. 46 davon für den Tower des Regionalflughafens Sachsen-Anhalt. Nur, die Flugzeuge blieben aus. Kein Bedarf. Die Betreibergesellschaft ist pleite, das Land übernimmt.
Oder 80 Millionen für das Lieblingsprojekt Saale -Elbe -Kanal des damaligen Ostbeauftragten Manfred Stolpe. "Hier muss man wochenlang warten, bis ein Schiff vorbei kommt", weiß ein BUND-Beobachter.
Flughafen ohne Flugzeuge, Kanal ohne Schiffe - das sind die Sehenswürdigkeiten öffentlicher Geldversenkung. Die findet ihren Höhepunkt im Sport. 116 Millionen für das Leipziger Stadion. Plätze 45 000, Zuschauer 4500 (keine Null vergessen).
In Magdeburg, Halle und Dresden ähnlich rosige Verhältnisse. "Schwer vermittelbar" seien die Fehlverwendungen, die in Tiefensee Ost versackt sind, erkennt der gleichnamige Minister. Als Oberbürgermeister von Leipzig hatte er aktiv daran mitgewirkt. Sanktionen für Sünder lehnt er aber (deshalb?) ab.
Stattdessen ein bisschen symbolische Streicheleinheit Ost: so genannte Haltefaktoren. Abgewanderte Ostler sollen sich im Westen - wie Auslandsgriechen oder Kroaten - regelmäßig treffen, um ihre "kulturelle Identität in der Fremde" zu wahren. Schlicht "schwachsinnig" nennt das der Sprecher der ostdeutschen Unionsabgeordneten.
Nein, man braucht die Brüder und Schwestern nicht länger zu pampern. Sie wissen selber, was sie brauchen und was ihnen gut tut. Viele, vor allem gut ausgebildete junge Frauen wandern aus. Abschwung Ost. Es gibt aber auch Einwanderer aus aller Welt, die an den "Leuchttürmen" bauen.
Jena ist so einer mit Industrie und Forschung oder Radebeul mit seiner beachtlichen Rolls-Royce- und Ferrari - Dichte. Hier liegt die Kaufkraft 2200 Euro über ostdeutschen Durchschnitt. Langsam werden im "sächsischen Nizza" auf den Heidesandterrassen die Villen knapp.
In Brandenburg dagegen kann man bis heute Herrenhäuser für einen Euro kaufen. Man muss nur fünf Millionen zur Renovierung mitbringen. Und dass in der Uckermark überhaupt alles anders aussieht, ist bekannt. Aber regionale Unterschiede kennt jedes Land, indem es die Freiheit gibt, seinen Platz selbst zu wählen. Der Anspruch aber: "Alle Tiere sind gleich" wurde nicht einmal im Sozialismus eingelöst.
"Jetzt ist der Westen dran" hört man aus Westgegenden, die "verosten". Ihre Straßen sind marode, aber bevölkert und befahren. Wogegen man in den ehemaligen Zonenrandgebieten weitgehend allein, dafür auf makellosen wie überdimensionierten Pisten dahinhaucht. Das erinnert an die Erkenntnis des gerade gestorbenen Schauspieler Ulrich Mühe zum Ende der DDR: "Wir haben uns geschafft. Bananen für alle."
Wenn wir so weiter machen, schaffen wir uns tatsächlich. Wir überfordern das Budget, aber mehr noch die Basis der Gemeinsamkeit. Die ist schmal genug. Das merkt man auch daran, wie zäh trotz aller Transfermilliarden die Gedenkstätten für Opfer der SED-Diktatur und Museen gefördert und finanziert werden.
Westdeutsche Besucher provoziert schon die Bemerkung, die DDR gehöre auch zu ihrer Geschichte. Immerhin bedauert Reinhard May seine mangelnde Auseinandersetzung mit dem Regime. "Ich wünsche, ich hätte vor 1989 mehr Lieder darüber geschrieben."
Die innere Einheit bessert sich, wenn es weniger Grund zum Zorn gibt, dass Geld so sichtbar provozierend versenkt wird.
Also weg mit dem Soli, der mit Solidarität sowieso nichts zu tun hat.
Es gehört nicht in die Hände der Politik, sondern in die Taschen der Bürger.

Die andere Meinung von Susanne Offenbach
Sonntag Aktuell, 05.08.07

Letzte Änderung: 21.11.2007