Strompreise in Deutschland

10.08.2007 Wechsel des Stromanbieters bringt bares Geld

Die Verbraucherzentralen und der Deutsche Mieterbund machen Front gegen zu hohe Strompreise in Deutschland. Durch den Wechsel der örtlichen Anbieter könnten die Kunden viel Geld sparen und den Wettbewerb auf dem Strommarkt beleben, sagen die Experten.
Gert Billen, seit dem 1. August Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, setzt auf die Klugheit aufgeklärter Bürger. Wenn sich erst einmal herumgesprochen habe, was ein aktueller Preischeck in den 100 größten deutschen Städten mit insgesamt 62 Millionen Einwohner ergeben hat, würden immer mehr Menschen den vier großen Stromkonzernen ENBW, RWE, Eon und Vattenfall "die rote Karten zeigen", ist sich Billen sicher. "Jeder Wechsel lohnt sich."
Tatsächlich ermittelten die Preisforscher, dass Privatkunden bis zu 200 Euro im Jahr sparen könnten, wenn sie zum günstigsten Stromanbieter vor Ort wechselten. Eine vierköpfige Familie im rheinischen Düren müsste 185 Euro weniger zahlen, ein Berliner Single-Haushalt würde um 110 Euro entlastet. Für ein Ehepaar in Freiburg ermittelte der Preistest eine um 120 Euro geringere Stromrechnung, ein Zwei-Personen Haushalt in Tübingen könnte 106 Euro sparen.
"Würden alle 40 Millionen Haushalte ihr Sparpotential von durchschnittlich 60 Euro im Jahr nutzen, käme dies einem Einspar- und Konjunkturprogramm von über 2 Milliarden Euro gleich", erklärte Verbraucher- Boss Billen. Allerdings haben bis Ende 2006 mit 2,5 Millionen erst sechs Prozent der Haushalte den Stromanbieter gewechselt. Immerhin weitere zehn Millionen Haushalte haben inzwischen einen günstigeren Tarif bei ihren bisherigen Versorger gewählt.
Der bundesweite Preischeck räumt auch mit einem Vorurteil auf. Bislang galt als unbestritten, dass Ökostrom teuerer sei als herkömmlicher Strom. Nun stellte sich heraus, dass in zwei Dritteln der 100 größten Städte in Deutschland die Tarife der Öko-Strom-Anbieter günstiger ausfallen als der ortsübliche Grundversorgungspreis.
Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips: "Der Anbieterwechsel ist also nicht nur wirtschaftlich vernünftig, sondern auch ökologisch sinnvoll." Der Naturschutzbund (Nabu) forderte gestern ebenfalls dazu auf, traditionellen Anbietern den Laufpass zu geben: "Den Strommix der Zukunft können wir selbst bestimmen, indem wir zu Ökostrom wechseln."
Verbraucherzentralen und Mieterbund haben sich zum Ziel gesetzt, binnen der nächsten sechs Monate mit ihrer Infokampagne zusätzlich mindestens eine Million Haushalte zum Wechsel ihres Anbieters zu bewegen und damit ein Zeichen gegen die Preispolitik der vier Stromgiganten zu setzen, die 80 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland unter sich aufteilen.
Parallel dazu beraten die Verbraucherzentralen über Möglichkeiten, die Stromkosten dauerhaft zu senken. So spült das konsequente Ausschalten des Stand-by-Betriebs von Geräten einer Durchschnittsfamilie rund 115 Euro jährlich in die Haushaltskasse.
Ebenso empfohlen werden Energiesparlampen, Umwälzpumpen für Gas- und Ölheizung sowie hocheffizienten Kühlschränke.
Die Bundesregierung begrüßte die Offensive. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Joachim Wuermeling, sagte, diese Aktion sorge für mehr Wettbewerb im Energiebereich. Dadurch könne die Marktmacht von Stromanbietern begrenzt und zugleich ein Beitrag für mehr Klimaschutz geleistet werden.
Als ersten Erfolg bezeichnete Billen die Ankündigung von RWE-Vorstandschefs Harry Roels, auf die für den Herbst geplante Strompreiserhöhung zunächst zu verzichten.
Billen: "Die Konzerne merken endlich, dass sich die Verbraucher von den Stromanbietern nicht länger das Geld aus der Tasche ziehen lassen."
Südwestpresse, 10.08.07

Letzte Änderung: 21.11.2007