Gesundheit

24.08.2007 Vom kommenden Frühjahr an soll der elektronische Versicherungsausweis eingeführt werden

Um die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte wird weiter heftig gestritten: Im Frühjahr will sie das Gesundheitsministerium starten. Die Ärzte protestieren.
Eigentlich sollten 82 Millionen Bundesbürger die elektronische Gesundheitskarte längst in der Hand haben, egal ob sie gesetzlich oder privat kranken versichert sind: Der 1.Januar 2006 war einmal als Stichtag vorgesehen. Die Plastikkarte im Scheckkartenformat mit Bild und Chip soll die derzeitige Krankenversicherungskarte ersetzen und neue Anwendungen wie das elektronische Rezept ermöglichen.
Doch es gab jede Menge Streit unter den Beteiligten, der zu langen Verzögerungen führte. Jetzt soll es Mitte des zweiten Quartals 2008 losgehen. Das kündigte zumindest der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder, an.
Damit brachte er umgehend die Ärzte auf die Palme, die dem ganzen Projekt schon zuvor äußerst kritisch gegenüberstanden.
"Die Devise muss nach wie vor lauten: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit", forderte der Präsident des Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe.
Den nach dem Worten Schröders soll auf die geplanten Großversuche mit 100 000 Versicherten verzichtet werden, bei denen Karten und Geräte erprobt werden sollen. Derzeit laufen zwei regionale Tests mit 10 000 freiwilligen Teilnehmern, weitere sollen im Herbst unter anderem in Heilbronn starten.
Der Deutsche Ärztetag hatte im Mai grundsätzliche Zweifel daran geübt, sensible Patientendaten auf zentralen Rechnern zu speichern. Einzelne Ärzteverbände fordern gar, jede Mitarbeit an der Karte aufzukündigen.
Äußerst gelassen gibt sich der Chef der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Baden-Württemberg, Rolf Hoberg: "Ein sanfter Einstieg in die neue Kartenwelt ist ganz vernünftig." Politisch hält er den Start der bundesweiten Verbreitung schon mit Blick auf die langen Verzögerungen für richtig. Aber die Karte bleibe weit hinter ihrem Potenzial zurück. Sie könne zunächst nicht mehr als die bisherige, die in Baden-Württemberg bereits ein Foto trägt. Davon erhofft man sich weniger Betrügereien.
Zunächst sind nur administrative Angaben und Notfalldaten gespeichert. Erst in einem weiteren Schritt sollen Rezepte elektronisch erfasst werden und später weitere Patientendaten.
Darauf sind die neuen Karten bereits eingestellt. Test auch in großem Maßstab hält Hoberg weiter für erforderlich, aber auch für machbar. Denn was im Labor ersonnen wurde, müsse immer im Massenbetrieb erprobt werden. Das ist dann allerdings keine Frage der Karten mehr, sondern der Lesegeräte und der Software.
Strittig ist auch noch die Finanzierung. Im September beginnen die Verhandlungen. Die Ärzte verlangen, dass die Kassen die kompletten Investitionen von etwa 2000 Euro pro Praxis komplett übernehmen. Auch die laufenden Kosten müssen geklärt werden. Insgesamt rechnet Schröder mit Kosten von 1,4 bis 1,6 Milliarden Euro.
Wie überfällig die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist, zeigt ein Vergleich mit den Banken: Da gibt es kaum noch Überweisungen auf Papier. Dagegen stellen die Ärzte immer noch Millionen von Papier-Rezepten aus.
Südwestpresse, 24.08.07

Letzte Änderung: 21.11.2007