Kein Korn ins Kraftwerk

18.11.2007 "Geschlagen ziehen wir nach Haus, die Enkel fechten’s besser aus" Bauernkriegslied

Wir können nicht alles haben - billige Lebensmittel, billigen Sprit und glückliche Bauern

Die Benzinpreise rekordhoch. Die Spekulationsblase an den Tankstellen will nicht platzen. Die Welt scheint dem Ölmarkt ausgeliefert. Da ist alles willkommen, was von dieser Abhängigkeit abschneidet. Fast alles.
Unter den alternativen Energien hat die Biomasse viele Freunde. Mais, Raps, Holzabfall, Weizen oder Mist - dank moderner Verbrennungstechnik kann so ziemlich alles Biologische in Wärme umgewandelt werden. Da hellen sich die Gesichter auf - nicht nur Großagrarier haben Grund zur Freude. Von Kuhfladen bis zum Maisstroh, alles ab in die Biogasanlage. Endlich werde der Nährstand nach all den saueren Jahren am Brüsseler Tropf wieder rentierlich.
In den letzten Jahren sind die Preise für Getreide so schlecht gewesen, dass die Verwertung als Brennstoff die rentablere Variante war. Getreide kostet etwa halb so viel wie Heizöl.
Alles bestens? Für die Bauern vielleicht. Für den Klerus keinesfalls. Die Kirchen halten es für katastrophal, dass Getreide verheizt wird, anstatt es in die Mühle zu liefern.
"Das tägliche Brot gehört in die Hände dankbarer Menschen", meint der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Wir feiern Erntedank und denken an Millionen Hungerleider. Da geht es nicht, dass der Landwirtschaft die Energieerzeugung wichtiger ist als die Produktion von Nahrungsmitteln. Kein Korn ins Kraftwerk.
Die Bauern kontern, die Ernährung sei das Grundverständnis jeden Landwirts, aber nicht um den Preis des eigenen Ruins. Die Reaktion des Umweltministeriums: Es lockert die Emissionsschutzverordnung, damit Getreide (wegen hoher Schadstoffe) als Regelbrennstoff zulässig wird.
Und die Bevölkerung? Sie will alles. Billig tanken, billig essen und Biobauern, bei denen man Ferien im Heu machen kann.
Natürlich ökologisch unbedenklich und moralisch einwandfrei. Für Städter zumal besteht die Natur aus Hund und Hamster, gerade noch Igel und Meise. Bei Tauben hört der Spaß auf und mutiert zur Panik, wenn sich Fuchs oder gar Wildsau durch den Gartenzaun wühlen. Da erschallt - ganz ungewohnt in Ökokreisen - der Ruf nach den Jägern.
Wir lernen: Natur ist widersprüchlich, kein Ort zum Kuscheln. Außerdem ständig im Wandel wie das Klima, das ein Teil von ihr ist. Auch Stadtnatur ist vielfältig. Wir hätten ihren Tieren und Pflanzen bisher nur viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, meint der Münchner Zoologe, Professor Josef Reichhof.
Ob er studieren statt schießen meint? Auf der Suche nach dem Schlaraffenland wird man beim Bauern also eher nicht fündig. Und das, obwohl die europäische Steuerzahler die deutsche Agrarwirtschaft mit mehr als 6000 Millionen Euro finanzieren - jedes Jahr. Wer genau zu den Begünstigten gehört und in welcher Höhe, dazu schweigen die Empfänger eisern. Nur keinen Neid! Aber es sind bestimmt nicht die kleinen Betriebe, die mit Subventionen verwöhnt werden. Auch hier gilt: Wer hat, dem wird gegeben.
Ein Großkonzern wie Südzucker soll nach Recherchen der Entwicklungsorganisation Oxfam jährlich etwa 90 Millionen Euro erhalten. Durchsichtiger ist die Szene nicht und soll es nach Auskunft des Bundeslandwirtschaftsministeriums vor 2009 auch nicht werden. Warum? Bis dahin ist die Agrarpolitik vermutlich langfristig festgezurrt.
Im Sommer rief Bundespräsident Köhler den Landwirten bei ihrem Bauertag zu: "Sie werden wieder gebrauch!" Wofür? Als Ernährer? Das machen andere billiger.
Als bezahlte Landschaftspfleger? Das ist vielen nicht genug. Also doch per Biomasse für günstigen Kraftstoff? Ob das, was der Erzbischof anprangert, mit seiner Moral vereinbar sei, frage ich den studierten Landwirt Erbgraf zu Neipperg. Er sieht die Sache standesgemäß historisch: "Schon immer wurde ein teil des Getreides für Pferde- und Ochsenfutter verwendet, also für das, was heute unser Benzin ist."
Mobilität ist eben auch ein Lebensmittel.
Susanne Offenbach
Sonntag Aktuell, 18.11.07

Letzte Änderung: 21.11.2007