Jugend in Bedrängnis

25.11.2007 Mitten in einer Gesellschaft, die forever jung spielt, sind die Jugendlichen so unerwünscht wie selten.

Neulich stand in unserer Teeküche im Büro ein Kuchen mit einer prächtigen Dekoration. DANKE stand in großen Buchstaben auf dem rosa Tortenguss, die Schrift war kunstvoll aus kleinen Ferrero Rochers montiert. "Das ist ja raffiniert", lobte ich die Praktikantin, die offenbar ihren Ausstand feierte.
Und die sagte fröhlich: " Ja, Kuchen backen habe ich inzwischen gelernt, ist mein neunter Abschiedskuchen." Am Anfang habe sie das danke noch mit Lebensmittelfarbe auf den Zuckerguss gepinselt, aber das halte einfach nicht so gut, wenn sie den Kuchen mit dem Fahrrad ins Büro transportiert.
Mich hat es beschämt. Neun Praktika, und immer noch keine Arbeit. Sie soll ja eigentlich Journalismus lernen bei der Zeitung und nicht Zuckerguss - Deko optimieren. Aber bei den Medien ist es wie überall: Die Generation Praktikum zieht eine Warteschleife nach der anderen.
Jedes Jahr spülen die Journalistenschulen und Medien Fakultäten der Unis 2000 super ausgebildete Presseleute auf den Markt, viel mehr, als man braucht. Und die arbeiten teilweise zu so katastrophalen Honoraren, dass eigentlich niemand so richtig davon leben kann.
Weder die Jungen, die neben dem Schreiben meist noch Taxi fahren und Kellnern. Noch die Ältern, denen die "Ich-bin-zu-allem-bereit" Generation die Honorare verdirbt. Feste Jobs gibt es nur noch wenige, die Zeitungen und Fernsehsender wollen wegen schwankender Auflagen und Quoten keine Verpflichtungen eingehen.
Was für ein fatales Signal an die Jungen Leute: Eigentlich brauchen wir sie gar nicht. Mitten in einer Gesellschaft, die "forever jung! spielt, sind die Jugendlichen so unerwünscht wie selten.
"Da kann ich richtig wütend werden", sagte mir neulich ein Jugendforscher, "wenn ich sehe, wie wir diese Generation im Stich lassen." Der Forscher ist selber schon ein alter Mann, und er hat ein Leben lang Jugendliche beforscht, die in die Pubertät kommen. "Da geht inzwischen alles durcheinander", hat er beobachtet.
"Die Mütter altern zwar innerlich um 20 Jahre, wenn die Kinder in die Pubertät kommen. Aber äußerlich wollen sie krampfhaft jugendlich sein, machen sich Zöpfchen und ein Piercing in den Bauch, manche lassen sich sogar jung operieren."
So rücken wir der Jugendgeneration vor allen Seiten auf die Pelle. Denn auch Achtjährige werden bisweilen gestylt wie Teenies. Am Ende sehen alle aus wie 14. "Bloß die Jugendlichen selber", sagte der Forscher und mehrfache Opa, "die lassen wir hängen."
Da ist was dran. Mode und Musik klauen wir ihnen ja schon länger. Von zerrissenen Jeans bis zu pseudocoolen Kappen gibt es nichts, was von der Erwachsenenindustrie nicht schon längst kopiert wurde. Und: Wir machen uns nicht nur äußerlich zu Jugendlichen. Wir werden auch innerlich oft nicht so recht erwachsen: Setzen keine klare Regeln. Und belasten unsere Kinder derart mit unserem Alltag, dass immer mehr Jugendliche in Umfragen sagen: " Meine Eltern haben es auch ganz schön schwer."
Stimmt ja auch. Bloß: Es war eigentlich immer das Privileg der Jugendlichen, über die Stränge zu schlagen. Und dann von uns Erwachsenen aufgefangen zu werden. Jetzt müssen sie schon Komasaufen oder mit der geladenen Waffe in die Schule stürmen, um überhaupt aufzufallen.
Und auffangen können wir sie auch oft nicht, weil wir mit unserer Eigenen Jobsuche, Liebeskummer und sonstiger Alltagsbewältigung beschäftigt sind. Und wenn sie dann trotz all dem Chaos anständig erwachsen werden, machen wir noch nicht mal Platz für sie auf dem Arbeitsmarkt.
Aus unserer eigenen Zukunftsangst heraus - die ja auch berechtigt ist - klammern auch wir uns an unsere Sessel, wechseln selten den Job als früher. Alles blöd für die Jungen, die ja nur dann eine Chance haben, wenn es genug Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt gibt.
Das alles ging mir durch den Kopf, als die kleine Praktikantin ihre Torte anschnitt und verteilte. " Und was machen Sie als nächstes?", fragte ich sie im Abschlussgespräch.
" Zwei Praktikumszusagen habe ich noch", sagte sie, " und wenn alle Stricke reisen, mache ich einen Torten-Back-Service für Kindergeburtstage auf."
Aus der wird was, dachte ich erleichtert. Vielleicht haben wir ihr den drei Monaten wenigstens beigebracht, wie sie für ihren Tortenladen eine schmissige Pressemitteilung schreibt. Echt klasse, diese Generation. Danke!
Die ANDERE Meinung von Ursula Ott
Sonntag Aktuell, 25.11.07

Letzte Änderung: 25.11.2007