Preis für Carla del Ponte

26.11.2007 Die Universität Augsburg hat die Chefklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Carla del Ponte, geehrt.

Wie immer schwarz gekleidet, in scharfem Kontrast zu ihrem weißblonden Haar steht sie festen Fußes auf dem Parkett. Die klobigen Ohrringe und die goldene Panzerkette passen zu ihren markanten Gesichtszügen - und zum Goldenen Saal des Augsburger Rathauses.
Ein würdiger Ort, um Carla del Ponte, die scheidende Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das frühere Jugoslawien, zu ehren.
So sieht es die Jury des "Augsburger Universitätspreises für Versöhnung und Völkerverständigung", der zum ersten Mal vergeben wurde: Del Ponte habe mit ihrem "engagierten und entschlossenen Wirken als Chefklägerin" dem Strafgerichtshof "weltweit zu hoher Glaubwürdigkeit verholfen".
Seit 1999 habe Carla del Ponte die Absicht des Gerichts, die Herrschaft des Rechts weltweit zu stärken, "in vorbildlicher Weise befördert und umgesetzt". Juta Limbach, die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, bezeichnete sie gar als "Jeanne D'Arc der Justiz".
Die 60-jährige Carla del Ponte ist das Gesicht des Haager Gerichts schlechthin. Bis zu jenem Tag, dem 11.März 2006, dem Tode Slobodan Milosevics, war sie, die Gnadenlose und Umbarmherzige, unterwegs um späte Gerechtigkeit für die Opfer der vier Jugoslawien-Kriege einzuklagen.
Zwischen 1991 und 1998 hatten diese 300 000 Menschen das Leben gekostet, 2,5 Millionen wurden vertrieben. Doch nach dem Tod des Despoten in seiner niederländischen Gefängniszelle wehte Carla del Ponte ein rauer Wind entgegen. Sie stand im Kreuzfeuer der Kritik, da Milosevic rechtlich gesehen als Unschuldiger starb.
Viele Prozessbeobachter glaubten, dass das Verfahren deshalb nicht abgeschlossen worden sei, weil Carla del Ponte es mit zu vielen Anklagepunkten überfrachtet hatte.
Auf die Frage der SÜDWESTPRESSE, ob weniger Anklagepunkte nicht vielelicht zu einer Verurteilung Milosevics geführt hätten, entgegnet sie entschlossen: "Wir sind ncht nur da, um eine Strafe für den Angeklagten zu erreichen. Wir sind auch da, um alle Opfer zu vertreten."
Sie veweist auf den UN-Sicherheitsrat: "Was ich wollte, war, dass jemand die Verantwortung für einen schnellen Prozess übernimmt". Das sei jedoch im Sicherheitsrat nicht der Fall gewesen und so sah sie sich als Anwältin aller Opfer. Vielleich seien, so glaubt sie, nicht alle Geschundenen mit dem Ergebnis zufrieden. "aber wir haben getan, was wir konnten."
Dennoch bleibt ein Funken Wut über Milosevics Tod in ihr. Schließlich sind vier Jahre mühsame Arbeit ohne juristischen Genugtuung nicht einfach so wegzustecken.
Die Opfer der Kriegsverbrechen jedenfalls hat sich seit Beginn ihrer Amtszeit 1999 persönlich mehrmals auf dem Balkan besucht. Das sei auch der einzige Moment gewesen, in dem bei ihr Emotionen im Spiel gewesen seien. "Dort fühlt man das Leiden."
Seit Gründung des Strafgerichtshof wurden von insgesamt 161 Angeklagten 53 als Kriegsverbrecher rechskräftig verurteilt. Neun wurden freigesprochen, vier sind auf der Flucht. Mit ihrer Arbeit sei sie daher sehr zufrieden, wenngleich die Angeklagten Ratko Mladic und Radovan Karadzic immer noch nicht gefasst seien.
"Ich hoffe weiter auf deren Verhaftung", gibt sie sich optimistisch. Auch war es der gebürtigen Tessineri zu verdanken, dass selbst Diktatoren und Kriegsverbrecher nach rechtsstaatlichen Kriterien in peniblen Verfahren der Prozess gemacht wird. Gleiches recht für alle also.
Der belgische Jurist Serge Brammertz (45) wird Carla del Ponte am Jahresende als Chefankläger ablösen. Dass das Tribunal seine Arbeit wie geplant 2010 einstellen können wird, bezweifelt Carla del Ponte.
Sie selbst steht künftig in Diensten der Schweizer Botschaft in Argentinien. Das Angebot des eidgenössischen Justizministers Christoph Blocher, wieder nach Bern in ihr altes Amt als Bundesanwältin zurückzukehren, lehnte sie ab. Ihre Begründung:
"Man geht nicht zurück, man geht nur vorwärts."
SÜDWESTPRESSE,26.11.07

Letzte Änderung: 27.11.2007