Familien stehen schlecht da

02.12.2007 Deutschland gibt mehr für Familien aus als viele andere Industrieländer, trotzdem leben hierzulande mehr Kinder in armen Verhältnissen als in den meisten Staaten.

Ungenügend - ein denkbar schlechtes Zeugnis stellt die OECD der Familien- und Kinderförderung in Deutschland aus. Zwar liegen die Ausgaben der Bundesrepublik deutlich über dem Durchschnitt der Industrieländer, zeigt ein Ländervergleich. Doch das Geld wird nicht effektiv ausgegeben: Hierzulande leben mehr Kinder in ärmlichen Verhältnissen als in den meisten anderen Staaten.
Bei vier von sechs Merkmalen, die von der Wirtschafts-Organisation der Industrieländer untersucht wurden, steht Deutschland schlecht da: Die Geburtenrate liegt ebenso deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-Länder wie die Beschäftigungsrate von Alleinerziehenden, die nur 62 Prozent erreicht. Hierzulande steht nur für neun von 100 Kindern bis drei Jahren ein Betreuungsplatz zur Verfügung.
Im OECD-Schnitt sind es 23. Das schlägt sich unter anderem im Anteil der Kinder nieder, die als arm gelten: In der Bundesrepublik sind es 12,8 Prozent, mehr als OECD-Schnitt von 12 Prozent.
Am besten schneiden die skandinavischen Länder ab, allen voran Dänemark. Ihr System gebe Eltern das beruhigende Gefühl, dass Kinder kein Problem seien, erklärt der OECD-Experte für Familienpolitik, Willem Adema.. Seine Zahlen der Industrieländer zeigen: Je höher die Beschäftigungsrate der Frauen ist, desto höher ist auch die Geburtenrate.
Kinder müssen also weder Berufs- noch Karrierebremse sein, im Gegenteil. In Deutschland sind beide Zahlen niedrig, obwohl drei Prozent des Bruttosozialprodukts für Familienförderung aufgewandt werden. Im OECD-Schnitt sind es nur 2,4 Prozent. Hoch sind hierzulande insbesondere das Kindergeld und die Steuererleichterungen für Kinder, unterdurchschnittlich dagegen Ausgaben für Dienstleistungen wie Kinderbetreuung.
Für Bundesfamilienministerin von der Leyen ist die Studie ein Bestätigung, dass sie auf dem richtigen Weg ist: Der Ausbau der Krippenplätze für Kinder bis drei Jahre ist ebenso sinnvoll wie das neue Elterngeld. Dieses gibt es zwar nur ein Jahr lang - plus zwei Babymonate meist für den Vater -, dafür ist es aber abhängig vom früheren Gehalt.
"Damit wird verhindert, dass Frauen, die sich in der Regel um Kinder kümmern, zu lange aus dem Job sind und später Einbußen hinnehmen müssen", lobt Adema.
Ganz schlecht fällt dagegen sein Urteil zum Betreuungsgeld aus, dass Mütter bekommen, die ihre Kleinkinder nicht in die Krippe bringen: Die Effekte seien "oft desaströs" (Desaster - Unheil, Unglück, Zusammenbruch). Dadurch fehlten Anreize, rasch wieder in den Beruf zurückzukehren.
Die Folge: Arbeitgeber schrecken von der Einstellung von Frauen zurück, oder sie investieren weniger in ihre Kariere. Letztlich ist dies ein Grund dafür, dass der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen in Deutschland besonders groß ist. Noch extremer fällt er nur in Korea und Japan aus. Wenn schon, dann empfiehl Adema Gutscheine für die Förderung von Kleinkindern.
Online Info: www.oecd.org/de/babiesandbosses
Südwestpresse, 30.11.07

Letzte Änderung: 02.12.2007