Parken auf Kosten der Schwerbehinderten

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26.01.2008 Zahlreiche Missbrauchfälle mit Parkausweisen von Schwerbehinderten - Polizei und Richter kritisieren mangelndes Unrechtsbewusstsein der Autofahrer

Gebühren sparen und an einem zentral gelegenen Platz in der Innenstadt parken? Für manche Autofahrer ist das ganz leicht: Statt des ordnungsgemäß bezahlten Parkscheins legen sie einfach den Behindertenausweis eines Angehörigen auf das Armaturenbrett. Nur den wenigsten ist bewusst, dass sie sich damit strafbar machen.
Ein Cabrio steht auf einem Behindertenparkplatz in der Innenstadt, hinter der Windschutzscheibe liegt vorschriftsgemäß der blaue Ausweis. Auf den ersten Blick scheint alles in Ordnung zu sein. Dennoch, ein solches Fahrzeugmodell und ein Behindertenausweis? Ein kurzer Anruf bestätigt den Verdacht des Polizisten: Der Ausweis gehörte einer fast 90-jährigen Frau, die sich zum Zeitpunkt des Telefonats in einem Pflegeheim im Stuttgarter Norden aufhält.
Fälle wie dieser waren in den vergangenen Jahren keine Ausnahme. Die Zahl der Verkehrssünder, die ungehemmt Behindertenparkausweise von verstorbenen Verwandten, Freunden und Bekannten nutzen, bewegt sich seit Jahren auf hohem Niveau.
Nachdem sie den Wagen auf einem zentral gelegenen Platz in der Stadt abgestellt haben, eilen sie kurze Zeit später im Sauseschritt durch die Fußgängerzone. So auch ein 50-jähriger Mann, der über einen Zeitraum von mehreren Monaten täglich sein Fahrzeug in der Inenstadt auf einem Behindertenparkplatz abgestellt hatte.
"Wie wir herausgefunden haben, war sein Arbeitsplatz in der Königstraße. Der blaue Berechtigungsausweis hinter der Windschutzscheibe gehörte seiner Frau", berichtet Polizeisprecher Olef Petersen.
Auf Kontrollgängen durch die Stadt werden die Beamten meist schnell fündig: Von insgesamt 44 überprüften Fahrzeugen im Dezember hatten allein neun Autofahrer einen Behindertenausweis zum Parken benutzt - ohne eine entsprechende Berechtigung zu haben.
"In Stuttgart werden im Jahr bei Schwerpunktkontrollen rund 200 Fälle entdeckt", schätzt Petersen. Die Dunkelziffer allerdings sei um ein vielfaches höher.
Rund 4300 Ausweise (Stand Juli 2007) von Verstorbenen sind nach Angaben der Stadt Stuttgart noch im Umlauf, ein Teil davon wird missbräuchlich verwendet. Den der Ausweis berechtigt nicht nur zum Parken auf dem Behindertenparkplatz, sondern beinhaltet auch weiergehende Vergünstigungen.
Was die Polizeibeamten vor allem ärgert, ist das Unrechtsbewusstsein der überführten Verkehrssünder, die in den meisten Fällen gegen Null tendiert. Viele stufen die erschlichene Berechtigung als Kavaliersdelikt ein - bis sie die Rechnung für ihr Verhalten präsentiert bekommen.
Die Parkerlaubnis ist ein Ausweispapier im Sinne des Strafgesetzbuches. Wird dieses missbräuchlich verwendet oder gar gefälscht, handelt es sich um eine Straftat. Laut Gesetz kann diese mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr - abhängig vom Vorstrafenregister des Betroffenen - oder mit einer Geldstrafe geanhdet werden.
Letztere ist abhängig vom Einkommen. Während ein Student eher glimpflich davon kommen wird, wurden gegen Spitzenverdiener in der Vergangenheit bereits Strafen von bis zu 1250 Euro verhängt.
"Die Geldbuße bewegt sich zwischen 20 bis 40 Tagessätzen," sagt Monika Rudolph, die beim Amtsgericht für Strafsachen zuständig ist. Auch die Richterin hat wenig Verständnis für das Verhalten der Autofahrer. Schließlich schadet die Rücksichtslosigkeit Behinderten, denen dadurch die Möglichkeit genommen wird, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
"Behindertenparkplätze müssen für gesunde Fahrer tabu bleiben!"
SÜDWEST PRESSE, 23.01.2008

Letzte Änderung: 26.01.2008