Wir ham's ja - die andere Meinung

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10.02.2008 Be-auf-trag-te, Be-auf-trag -ter, ein Wort wie für Rapper erfunden.Ein Wort zum kauen, vielleicht sogar zum Singen - aber ein Beruf?

Und was für einer! Dazu jede Menge Potential. Dauernd werden es mehr Beautragte.
33 etwa leistet sich alleine die Regierung in Berlin. Etwa - denn so genau kennt sich keiner aus. Auch bei den Kosten nicht. Die bewegen sich pro Jahr bei - etwa - 111 Millionen Euro.
Braucht es Beauftragte, und wozu? Sind nicht Abgeordnete genau dafür gewählt-, die Aufgaben des Volkes zu erledigen? Und erst recht die Zehntausende Beamte in den Ministerien. Das sind hochmögende Fachleute, wie wir glauben wollen. Haben die nicht die Erfüllung ihres Auftrags sogar beeidet?
Aber irgendjemand scheint Parlament wie Ministerien so zu misstrauen, dass Beistand nötig ist. Oder, wahrscheinlicher, Versorgungsposten für Parteikader werden erfunden.
Paradebeispiel für solch komfortable Parktbuchten ist das Auswärtige Amt: Es braucht Koordinatoren für "deutsch-amerikanische zwischengesellschaftliche, kultur- und informationspolitische Zusammenarbeit".
Ebensolche - nur damit es hier nicht so lang wird - für französische, polnische, russische Zusammenarbeit. Extra gibt es eine/n Beauftragte/n für Menschenrechtspolitik. Nicht zu verwechseln mit der/dem Beauftragte/n für Menschenrechtsfragen. Den die/den gibt es noch obendrauf. Allerdings im Bundesjustizministerium. Was Wunder, dass keiner mehr durchblickt.
Was der Datenschutzbeauftragte oder die Beauftragte für die Stasi-Unterlagen tun, wissen wir. Aber einer für die Millenniums-Entwicklungsziele? Oder je einer eigens für die Sozialversicherungswahlen und das Bergmannssiedlungsvermögen?
Dem Tourismusbeauftragten werden standesgemäß Referenten und Schreibkräfte aus dem Ministerium beigestellt. Außerdem Räume "mit verwaltungsüblicher Ausstattung" und die Nutzung des Fahrdienstes. Wir ham's ja!
Das Bauministerium hätte seinen Beautragten (einen Abteilungsleiter an der TU Berlin) vielleicht wirklich brauchen können. Denn das neue Dienstgebäude an der Berliner Invalidenstraße ist so marode, dass nach nur acht Jahren alle 350 Mitarbeiter ausziehen müssen. Generalsanierung für geschätzte 20 Millionen Euro. Oder auch das Doppelte.
Sinn und Nutzen von Beauftragten sind kaum erkennbar. Selbst wenn man einzelnen Unrecht tun sollte, das System der Noch-und-nöcher-Beaftragten ist öffentliche Völlerei.
Das ist nur ein Kuriosum am Rande, dass im Gartenreich Wörlitz-Dessau ein Künstlicher Mini-Vesuv wieder errichtet wurde - für acht Millionen. Doch wegen des großen Auwands sind die Eruptiönchen überschaubar - vier pro Jahr.
Prassen, Verschwenden hat auch dieses anonyme Gesicht: Niemand wird als verantwortlich identifiziert. Üblich ist, mit dem Finger auf das Luxusleben Einzelner (Manager) zu zeigen. Das Sozialneid verlangt Reichensteuer (beginnt beim Facharbeiter), und die Partei, die ihn schürt, wird in die Landtage gewählt. Sprechen wir aber mal von den Ursachen.
Verheerender als einzelner Missbrauch von Macht ist die Mitnahmementalität der vielen. Da will das Dorf Betheln in Niedersachsen eine Grillhütte bauen. Fast 18 000 Euro sind gesammelt. Da findet der Bürgermeister einen EU-Topf "zur Förderung des ländlichen Tourismus". Damit das Objekt ins Förderschema passt, kostete die Grillhütte 120 000 Euro. Natürlich wurde nie ein Tourist in der Nähe gesichtet. Warum auch? Clever das Dorf - oder unanständig?
Baden-Württemberg glänzt da auf sein Weise: Das Land kassierte zwischen den Jahren 2000 und 2007 aus dem Europäischen Sozialfonds 320 Millionen für die Qualifizierung Arbeitsloser. Damit hätte rechnerisch jeder Arbeitlose drei- bis viermal aus- und fortgebldet werden müssen - ohne deshalb einen Job zu finden.
Woher könnte der Weckruf kommen, dass solche Absurditäten das Land korrumpieren und öffnen in Richtung italienischer Verhältnisse?
Auch dafür haben wir - was wohl? - einen Bundesbeauftragten, zuständig für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung.
Hätte er gut gearbeitet, gäbe es die meisten seiner Kollegen nicht mehr. Aber er arbeitet ja noch an dieser Frage. Denkenswertweise sogar ohne Zusatzkosten.
Sussanne Offenbach,Sonntag Aktuell. 10.02.2008

Letzte Änderung: 10.02.2008