Rau rüttelt am Schulsystem
Fünft- und Sechstklässler der Schularten lernen dann gemeinsam.
Baden-Württemberg will das dreigliedrige Schulsystem aufweichen. In Zukunft sollen die Fünft- und Sechstklässler von Haupt- und Realschulen zusammen unterrichtet werden. Kultusminister Helmut Rau (CDU) kündigte
gestern auf der Stuttgarter Bildungsmesse "Didacta" an, dass dieses Modell zunächst an einigen Schulen erprobt werde. Im Mai können sich die Versuchsschulen bewerben, rund 20 werden vom Kultusministerium ausgewählt. Der
gemeinsame Unterricht in allen Fächern startet dann im Herbst 2009. Zwei Jahre später werden die Ergebnisse wissenschaftlich ausgewertet.
Zudem soll es noch eine zweite Variante geben: Sie sieht so genannte Niveaukurse vor. Das bedeutet, dass Hauptschüler in einem oder mehreren Kernfächern wie Deutsch, Englisch und Mathematik die Schulstunden der Realschule besuchen.
Mit den beiden Modellen, betont Rau, würden weder die Real- noch die Hauptschule abgeschafft, sondern lediglich die Jugendlichen optimal unterstützt. Der Minister denkt nicht daran, diese Kooperationen nach der 6. Klasse fortzusetzen. Auch die Grundschulempfehlung nach der 4. Klasse wird nicht überflüssig. Doch sie verliert etwas an Druck für jene, die nur eine Hauptschulempfehlung bekommen.
Schon heute arbeiten in 60 Städten und Gemeinden Real- und Hauptschulen zusammen, aber nicht in Kernfächern, sondern meist nur in Projekten. Ansonsten haben die Schultypen wenig Berührung. Rau sieht sein neues Konzept als "großen Schritt in der Schulentwicklung, der mit Ernsthaftigkeit gegangen werden muss".
Die Reaktionen auf die Ankündigung Raus fielen unterschiedlich aus. Der Vorsitzende des Landtags-Schulausschusses, Norbert Zeller (SPD), sprach von einer "bildungspolitischen Flickschusterei". Rau sei "ein Getriebener, der auf den gewachsenen Reformdruck mit planloser Modelleritis reagiert", sagte er.
Die Vorsitzende der Südwest-Grünen, Petra Selg, nannte den Vorstoß "einen halbgaren Vorschlag". Sie forderte einen echten Systemwechsel "hin zu einer zehnjährigen Gesamtschule".
Zustimmung erhielt Rau dagegen von der Schulexpertin der FDP-Landtagsfraktion, Birgit Arnold: "Ich werte dies als Signal für größere Flexibilität."
SÜDWEST PRESSE,21.02.2008
Letzte Änderung: 21.02.2008