Wer ist Deutschland?

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03.03.2008 Wieder wird über die Integration diskutiert - wieder ohne Ergebnis? von Klaus Brodbeck

Jeder fünfte Einwohner hat seine Wurzeln im Ausland. Menschen mit Migrationshintergrund: Es sind mehr als 15 Millionen. Doch nirgends scheint die Distanz so groß wie zwischen Deutschen und Türken. Eine Suche nach den Gründen.

"Wer hier lebt, der muss wissen, dass Deutschland sein Vaterland ist, und der muss wissen, dass seine Bundeskanzlerin Merkel heißt und nicht etwa Erdogan. Der muss dafür sorgen, dass er seinen Lebenspartner in der Regel in Deutschland sucht und sich nicht irgendwo aus der Türkei anverheiraten lässt": Günther Beckstein, CSU-Ministerpräsident von Bayern, formuliert klare Forderungen. Doch derzeit sieht die Situation scheinbar anders aus: Erdogan Superstar - der Jubel bei seiner Deutschlandvisite macht deutlich, dass viele Türken sich hier nicht zuhause, nicht willkommen, nicht einmal sicher fühlen.
· Ruprecht Polenz: "Unkultur des Verdachts"
"Unkultur des Verdachts"
"Nach meinem Eindruck gibt es eine Bereitschaft zum Misstrauen auf beiden Seiten. Diese Unkultur des Verdachts ist unser Problem", sagt der CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz. Der Migrationsforscher Klaus Bade beschreibt die gegenseitige Skepsis: "Ein Stück weit sind beide Seiten damit überfordert, dass sie immer mit Bildern aufeinander zugehen, die sie voneinander haben, die aber im Prinzip dem gar nicht entsprechen, was sie eigentlich in der alltäglichen Kommunikation voneinander halten könnten, wenn sie etwas aufgeschlossener, etwas pragmatischer aufeinander zugehen würden."

Der Prozess gegen Schüler Marco W., Proteste gegen beinahe jede neue Moschee: Auch die deutsche Seite nimmt vor allem wahr, was ihre Vorurteile bestätigt. "Die Türken werden sehr oft zu Sündenböcken degradiert und auf Kosten der Türken versucht man, Politik zu machen, möglicherweise Stimmen zu gewinnen", beklagt Hakki Keskin von der Linkspartei.
Vorurteile und Klischees
Politik trifft Migranten: Besser kann man kaum integriert sein als die Teilnehmer des Internationalen Jugendparlaments am Samstag im Berliner Abgeordnetenhaus. Doch selbst sie müssen gegen Vorurteile und Klischees kämpfen: "Es ist gewöhnlich der Ausländer, der den Deutschen die Arbeitsplätze wegnimmt oder einfach ein Sozialschmarotzer ist, weil er gerne faul ist. Das sind noch die harmloseren Varianten. Es geht über in: Muslime sind generell Attentäter und haben immer eine Bombe dabei", so Fatih Mars am Rande der Veranstaltung.
Da hilft es wenig, wenn nach dem hessischem Wahlkampf und dem Streit um die Türkeipolitik der EU die Kanzlerin seit gestern im Internet für Austausch und Integration wirbt. "Ich finde sehr schade, dass wir immer nur diskutieren, aber am Ende als Resultat recht wenig bleibt. Das ist meine Enttäuschung", erzählt Rana Büyükyilmaz, die sich auch beim Jugendparlament beteiligt.
Es reicht noch lange nicht
Es geht um Kultur, um Religion, um gleiche Chancen und um Toleranz - doch gerade diese wird zum knappen Gut. "Das ist das Hauptproblem, das wir nur gemeinsam lösen können", sagt Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. "Wir müssen den Menschen das Gefühl geben: Ihr gehört dazu, ihr seid ein Teil von uns, und wir wollen die Zukunft der Bundesrepublik gemeinsam gestalten."
Wahr ist: Noch nie hat sich Politik auf höherer Ebene um Migranten bemüht. Wahr ist aber auch: Es reicht noch lange nicht - auf beiden Seiten.

Letzte Änderung: 03.03.2008