Unruhige Zeiten bei Boss
Das Personalkarussell dreht sich und im Aufsichtsrat gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Kapital- und Arbeitnehmerseite.
Als Bruno Sälzer Mitte Februar überraschend beim Metzinger Modeunternehmen Hugo Boss als Vorstandschef ging oder gegangen wurde, war das Rätselraten nach den Gründen groß. Mehr als Vermutungen konnten auch die
Branchenexperten nicht anstellen. Sie verdichten sich aber auf einen sicheren Kern: Der Finanzinvestor Permira, seit Oktober 2007 mehr oder weniger Alleineigentümer, verfolgt eine etwas andere Geschäftspolitik als der ehemalige
Boss von Boss.
Deshalb wartete die Fachwelt gespannt auf die Sitzung des Aufsichtsrates am Mittwoch, auf der die Ausschüttung einer Sonderdividende von 400 Mio. EUR an die Aktionäre - also an Permira - auf der Tagesordnung stand. Nachdem die Entscheidung darüber vertagt wurde, sehen sich viele in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die neue Geschäftspolitik der neuen Eigentümer auf Widerstand stoßen wird. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat waren nicht bereit, der Sonderausschüttung zuzustimmen.
Daraus lässt sich allerdings nach Einschätzung eines Unternehmenskenners nicht unbedingt ein Großkonflikt ableiten. Dessen Einschätzung zielt genau in die entgegengesetzte Richtung. Der Aufsichtsrat wolle sich lediglich in dieser Frage Zeit lassen: "Die Diskussion über die Gewinnverwendung ist noch nicht abgeschlossen. Das ist ein ganz normaler Vorgang. "
Der Aufsichtsrat sucht nach dieser Lesart lediglich eine Lösung, die beiden Seiten entgegenkommt. Wobei dies immerhin bestätigt, dass es unterschiedliche Positionen im Betrieb gibt. Die Arbeitnehmerseite befürchtet wohl, was auch den geschasste Boss-Chef Sälzer als ungute Vorahnung beschlich: Mit einem erhöhten Geldabzug aus der Firma könnte der Modekonzern an Handlungsspielraum verlieren. Sälzer gab sich allerdings zuversichtlich, hier ein gutes Einvernehmen mit dem Finanzinvestor zu finden.
Antonio Simina, seit 25 Jahren bei Boss Betriebsratsvorsitzender und in dieser Eigenschaft auch stellvertretender Aufsichtsratschef, stellte aber schnell fest: "Die Chemie zwischen Permira und Sälzer stimmte nicht. " Ob die Chemie zwischen dem Belegschaftsvertreter und den fünf Permira-Aufsichtsräten stimmt, ist jetzt die Frage. Ein Betriebsratsmitglied wollte gestern jedenfalls zu diesem Thema keine Stellung beziehen.
Man kann sich aber vorstellen, dass der gestern bekannt gewordene Abgang von Einkaufs- und Produktionsvorstand Werner Lackas unter den Mitarbeitern nicht zur Beruhigung beigetragen hat. Für Lackas wurde, wie berichtet, der branchenfremde Manager Hans Fluri, vormals Chef des DPD (Deutscher Paket Dienst), an Bord geholt. Spekulationen, wonach Fluri auch Boss von Boss werden könnte, wurden gestern im Unternehmen dementiert: "Absoluter Quatsch. "
Die Suche nach einem Sälzer-Nachfolger geht also weiter bei Deutschlands größtem und glänzendstem Modekonzern. Die Suche könne noch einige Zeit dauern, aber man sei auf einem guten Weg.
Von offizieller Seite wird denn auch versucht, die möglichen Vorbehalte gegen die "Heuschrecke " Permira zu zerstreuen. "Hier schwirrt doch kein Ungeheuer durch die Gegend ", heißt es. Die vertagte Dividendenentscheidung sei doch ein gutes Zeichen. Denn mit dem Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden Giuseppe Vita hätte der neue Eigentümer hier wie in jedem anderen Fall auch seine Vorstellung durchdrücken können.
Dass er das (noch) nicht tat, kann man ohne allzu große Nachsicht durchaus auch als ein Zeichen dafür werten, dass der Finanzinvestor nicht gleich die Arbeitnehmerseite vergraulen möchte. Schließlich, so geht die Argumentation, sei Boss alles andere als ein Sanierungsfall, der mit harten Schnitten wieder auf Kurs gebracht werden müsse. Der Metzinger Modekonzern hat in der Tat erst unlängst wieder neue Rekorde bei Umsatz und Ergebnis gemeldet.
KOMMENTAR: Der Argwohn ist berechtigt
Hugo Boss ist mehr als nur ein schwäbisches Vorzeigeunternehmen. Die Metzinger sind eine Perle der internationalen Modewelt - und als solche waren sie ein begehrtes Objekt für den Finanzinvestor Permira. Das ist kein Grund zur Besorgnis. Denn der Kauf klangvoller Unternehmen ist für Finanzinvestoren nichts Neues, wie die Beispiele von Jil Sander über Cerruti bis Tommy Hilfiger zeigen.
Permira hat den rund 3,4 Milliarden Euro teuren Boss-Kauf zum größeren Teil durch Kredite finanziert. Das zieht logisch nach sich, dass man dafür möglichst schnell wieder Geld aus dem Unternehmen ziehen will. Eben über die jetzt diskutierte Sonderdividende.
Weil Boss mit seiner Eigenkapitalquote von über 50 Prozent dicke Gewinne abwirft, droht auch keine Auszehrung. Und die Frage nach der richtigen Höhe der Verschuldung lässt sich nicht so einfach beantworten. Der Argwohn der
Arbeitnehmervertreter ist gleichwohl berechtigt. Dass die neuen Eigentümer ihre Mehrheit nicht ausspielten, sollte man ihnen zugute halten. Auch Heuschrecken wissen schließlich, wie wichtig ein gutes Betriebsklima ist. HELMUT
SCHNEIDER
SÜDWEST PRESSE,07.03.2008
Letzte Änderung: 07.03.2008