Bessere Leistung, höhere Beiträge
Eine radikale Reform der Pflegeversicherung wurde es nicht. Für Demenzkranke und deren Angehörige springen trotzdem einige Verbesserungen heraus.
Berlin. Zwei Jahre hat die Regierung an der Pflegereform herumgebastelt. Nun verabschiedete der Bundestag den Gesetzentwurf mit den Stimmen der großen Koalition. Zahlreiche Neuerungen sollen sicherstellen, dass Demenzkranke auch
künftig eine angemessene Versorgung erhalten. Dafür muss der Steuerzahler aber tiefer in die Tasche greifen. Das Gesetz sieht nämlich die Erhöhung der Beitragssätze zur Pflegeversicherung vor. Wenn der Bundesrat
dem Entwurf im April zustimmt, könnte die Reform zum 1. Juli in Kraft treten. Konkret sind folgende Änderungen geplant:
Anhebung der Beitragssätze: Erstmals seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 werden die Beiträge angehoben. Das Gesetz sieht eine Erhöhung um 0,25 auf 1,95 Punkte vor.
Erhöhung der Pflegesätze: Mit dem Gesetzesentwurf will die große Koalition die ambulante Betreuung fördern. Wenn die Patienten zuhause von ihren Familien betreut werden, soll die finanzielle Unterstützung bis 2012 monatlich von 384 Euro auf 1550 Euro steigen. Wer im Heim gepflegt wird, erhält künftig rund 500 Euro mehr im Monat.
Einfachere Freistellung bei Berufstätigkeit. Angehörige sollen mehr Zeit bekommen, um sich nach dem Auftreten eines Pflegefalles in ihrer Familie um dessen Betreuung kümmern zu können. Berufstätige erhalten deshalb dank der Reform die Möglichkeit, sich bis zu einem halben Jahr freistellen zu lassen. Während dieser Zeit sind sie weiter sozialversichert.
Mehr Personal: Durch die Mehreinnahmen aus den Beiträgen sollen zwischen 3000 und 4000 zusätzliche Betreuer eingestellt werden.
Einrichtung von Pflegestützpunkten: Darunter stellt sich der Gesetzgeber Anlaufstellen für Verwandte von Demenzkranken vor. Dort sollen sie von Experten über die Krankheit und den Umgang mit ihr beraten werden. Bundesweit soll es 3000 solcher Stellen geben.
Verstärkte Kontrolle der Pflegeheime: Aufgerüttelt durch mehrere Betreuungsskandale in der Vergangenheit plant die Bundesregierung, die Anstalten künftig jedes Jahr kontrollieren zu lassen, damit Missstände nicht unentdeckt bleiben.
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zeigte sich mit dem Ergebnis insgesamt zufrieden. "Es ist eine gute Reform ", sagte die Ministerin. Die Finanzierung der Pflegeversicherung sei bis 2014 gesichert. Union und SPD hatten zuvor lange um den Kompromiss gerungen. Schmidt bedauerte, dass die Privatversicherungen keinen Beitrag zur Pflegereform leisteten. CDU und CSU drangen hingegen auf den Einstieg in ein kapitalgedecktes Finanzierungssystem.
Die Opposition übte Kritik am Gesetz der großen Koalition. "Die dringend notwendige Finanzreform findet nicht statt ", sagte Heinz Lanfermann (FDP). Ähnlich äußerten sich die Grünen. Sie glauben, dass nur
eine kleine Reform ohne wirkliche Weiterentwicklung herausgekommen sei. Auch die Linksfraktion lehnt die Reform ab.
SÜDWEST PRESSE,15.03.2008
Letzte Änderung: 16.03.2008