Kein Kopftuch im Unterricht
Mehr als ein Jahrzehnt lang hat eine muslimische Lehrerin mit Kopftuch vor ihren Schülern gestanden. Jetzt wurde ihr das Tuch im Unterricht untersagt. Die Richter sehen einen Verstoß gegen die Dienstpflichten.
Eine muslimische Lehrerin darf nicht mehr mit Tuch auf dem Kopf unterrichten. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden. Die Klage einer Grund- und Hauptschullehrerin aus Stuttgart-Bad Cannstatt wurde auf
Berufung des Landes abgewiesen. Die 58-jährige Beamtin Doris G. verstoße gegen ihre Dienstpflichten, wenn sie "erkennbar aus religiösen Gründen " in der Schule ein Kopftuch trage, urteilte der Verwaltungsgerichtshof.
Nach dem Schulgesetz müssten Lehrer "religiöse äußere Bekundungen " unterlassen. Diese seien geeignet, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern sowie den religiösen Schulfrieden zu gefährden. Ob das Tragen des Kopftuches eine "konkrete Gefahr " an der Cannstatter Schule hervorrufe, sei dabei nicht erheblich, erklärte das Gericht weiter. Tatsächlich hatten weder Kollegen, Eltern noch Schüler an dem Tuch Anstoß genommen.
Seit 1995 unterrichtete die zum Islam konvertierte Lehrerin mit der eigenwilligen Kopfbedeckung, die eher an eine Mütze erinnert. Im Dezember 2004 wies das Oberschulamt die Beamtin an, ihren Dienst ohne Kopftuch anzutreten. Grundlage war eine entsprechende Änderung im Schulgesetz. Daraufhin klagte die Lehrerin vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht - und bekam im Juli 2006 zunächst auch Recht. Das Kopftuchverbot verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot, stellten damals die Richter fest. Der Grund: Drei Nonnen unterrichten an einer staatlichen Grundschule in Baden-Baden-Lichtental in ihrer Ordenstracht.
Das Schulgesetz lasse eine Privilegierung christlicher Glaubensbekenntnisse jedoch nicht zu, meinten die Stuttgarter Richter. Dieser Sicht ist der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim jetzt aber nicht gefolgt. Die Klägerin könne sich nicht auf eine etwaige Ungleichbehandlung berufen. Die ausführlichen Urteilsgründe werden den Beteiligten erst in den nächsten Wochen zugestellt (Aktenzeichen: 4 S 516/07). Erst dann werde entschieden, ob die Lehrerin Rechtsmittel einlegt, sagte ihr Anwalt Knut Schnabel. Zwar hat das Gericht keine Revision zugelassen. Diese Nichtzulassung kann aber durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgerichtshof angefochten werden. Denkbar sei auch eine Verfassungsbeschwerde, sagte Rechtsanwalt Schnabel.
Kultusminister Helmut Rau (CDU) begrüßte die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. "Das Urteil hat unsere Rechtsposition bestätigt ", sagte Rau. Der Streit ums Kopftuch währt in Baden-Württemberg bereits seit zehn Jahren. Im ganzen Bundesgebiet bekannt wurde der Fall der gebürtigen Afghanin Fereshta Ludin, die nicht unverhüllt unterrichten wollte. Deshalb verweigerte das Stuttgarter Kultusministerium der Referendarin 1998 die Übernahme in den Schuldienst. Das Tuch sei ein religiöses Symbol und könne Schüler beeinflussen, argumentierte das Oberschulamt.
Verwaltungsgerichte wiesen die Klagen Ludins ab. Zu Unrecht, wie das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2003 schließlich erkannte und alle drei Urteile aufhob. Für ein Kopftuchverbot fehle in Baden-Württemberg eine gesetzliche Grundlage, entschied das höchste Gericht. Die wurde dann mit der Änderung des Schulgesetzes 2004 geschaffen.
SÜDWEST PRESSE,19.03.2008
Letzte Änderung: 20.03.2008