Harte Kampf um lebenswichtige Organe

Vorschaubild

28.03.2008 Weil Spender fehlen, blüht auch innerhalb Europas das illegale Geschäft mit Herz, Nieren und Lungen

Weltweit wächst der Handel mit menschlichen Herzen, Nieren und Lungen. Das illegale Geschäft blüht. Doch die Politik schaut weg. Das gilt nicht nur auf nationaler, sondern bisher auch auf europäischer Ebene.
"Niere zu verkaufen!" Über derart schaurige Angebote schreiben süditalienische Zeitungen immer häufiger. Auch estnische, tschechische oder bulgarische Blätter wissen vom Verkauf menschlicher Organe zu berichten. Und Spenden aus Moldawien und Mazedonien sind in Brüssel sogar aktenkundig.

Meist stecken "Verzweiflungstäter" hinter den Angeboten: Mütter oder Väter, die mit dem Verkauf einer ihrer Nieren hoffen, die finanzielle Not ihrer Familie lindern zu können. Immer öfter würden Menschen in Notstandsregionen und Katastrophengebieten durch hohe Geldbeträge dazu verlockt, Organe zu spenden, sagt der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Auch Immigranten, Obdachlose und Gering-Gebildete würden von skrupellosen Geschäftemachern gelockt, berichtet er.

Das Geschäft blüht. Wer im Internet recherchiert, wird schnell fündig. Transplantationszentren in Indien und China bieten Nieren, Herzen oder auch Lungen an. Nieren sind für 55 000 Euro zu haben, Lungen kosten mit 130 000 Euro sehr viel mehr. Aber der Preis schreckt kaum, denn die Not ist groß.

Der Grund liegt in der mangelnden Spendenbereitschaft: Zwei Drittel der Europäer wollen zwar, dass ihr Leben im Ernstfall mit dem Organ eines Fremden verlängert wird. Doch nur ein Drittel aller Europäer haben einen Spendenausweis, der es den Ärzten erlaubt, nach ihrem Tod ein Organ zu entnehmen. In Deutschland trägt nur jeder Dritte einen Organspenderausweis bei sich. In Italien ist es lediglich jeder Fünfte. Nur in Spanien, wo jeder Bürger als Organspender gilt, der nicht ausdrücklich widerspricht, ist die Bereitschaft hoch.

Nach Angaben von Liese beträgt die Zahl der verfügbaren Spenderorgane pro eine Million Einwohner je nach EU-Staat zwischen 0,8 in Osteuropa und 35,1 in Spanien. Deutschland liege bei den Spenden im Mittelfeld. Aufrufe in den Mitgliedsstaaten, um die Spendenbereitschaft zu erhöhen, verhallen dennoch meist ungehört, auch die EU-Kommission konnte bisher mit ihren Appellen nicht viel bewirken.

Die Folge der Unterversorgung: Tausende warten in Europa auf lebenswichtige Organe. Die meisten vergeblich. Täglich sterben zehn Menschen zwischen Mittelmeer und Nordsee, weil die Organe, die sie bräuchten, nicht zur Verfügung stehen.

Das Europaparlament nimmt sich nun des Problems an. So entschied der Gesundheitsausschuss gerade die Vernetzung von Europas Krankenhäusern zwecks Spenden. Transplantations-Koordinatoren an den Kliniken, wie es sie bereits in Spanien gibt, sollen künftig dafür sorgen, dass "die Organe schneller und unbürokratischer zu den Patienten gelangen", meinte Ausschussmitglied Dagmar Roth-Behrend (SPD).

In dem Bericht, den der Gesundheitsausschuss im April dem Europaparlament vorlegen will, unterstützen die Ausschussmitglieder die Pläne für gemeinsame Mindeststandards für Organspenden innerhalb der EU. Dazu sollen beispielsweise ein europäischer Spendenausweis gehören sowie die Einrichtung einer europaweiten Hotline. In dem Entwurf wird auch festgelegt, dass "jede kommerzielle Nutzung von Organen unethisch und mit den grundlegenden menschlichen Werten nicht vereinbar ist."

Bis das Europaparlament den Bericht zur Kenntnis nehmen und die Empfehlungen beschließen kann, stößt Liese mit seinem Appell, den illegalen Handel einzudämmen, weiter auf taube Ohren. Das Problem "wird verniedlicht", sagt der Arzt aus Meschede. Beim Europäischen Polizeiamt Europol will man trotz einschlägiger Berichte des Europarats und der Weltgesundheitsorganisation WHO das Problem nicht einmal zur Kenntnis nehmen. "Dort erklärt man, in Europa existiere das nicht", klagt Liese.
Text: SABINE SEEGER, BRÜSSEL
SÜDWEST PRESSE, 28.03.2008

Letzte Änderung: 28.03.2008