Dreh gegen die innere Uhr

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28.03.2008 Die Umstellung auf Sommerzeit bringt medizinisch nur Nachteile

Wem der Schlaf heilig ist, der sollte am Samstag eine Stunde früher zu Bett gehen. Denn in der kürzesten Nacht des Jahres werden dem wehrlosen Schläfer 60 Minuten genommen; die Uhr wird wieder vor gestellt.
Und wieder diese lästige Prozedur: Am kommenden Sonntag werden unzählige Uhren in der Europäischen Union um eine Stunde vor gestellt. Ob dieses Drehen an den Zeigern überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist, darüber sind die Experten nach wie vor geteilter Meinung. Aber, dass die Zeitumstellung im Frühjahr und im Herbst gesundheitliche Nachteile für den Menschen bringt, gilt als erwiesen.

"Die Sommerzeit, die wir die meiste Zeit im Jahr haben, ist ein Kunstprodukt ", erklärt Thomas Kantermann vom Zentrum für Chronobiologie der Universität München. Die Deutschen würden dabei gezwungen, sozusagen einen virtuellen Flug etwa nach London zu machen, ohne dass sie sich anpassen könnten. Schließlich bekämen sie nur die Zeitumstellung, nicht aber auch die neue Umgebung. "Wir können uns nach Flügen über mehrere Zeitzonen relativ schnell anpassen, weil wir am Zielort Sonnenaufgang und Sonnenuntergang wieder so vorfinden, dass sich unsere innere Uhr darauf einstellt ", erklärt der Chronobiologe. Durch die künstlichen Zeitumstellungen entstünden Irritation, weil der Mensch wie seine Mitgeschöpfe auf die Sonne als Taktgeber angewiesen sei.

Besonders Spättypen, also Menschen, die spät zu Bett gehen und dafür morgens länger schlafen, fällt die Umstellung im Frühjahr außerordentlich schwer. Die Forscher der Uni München ließen ihre Probanden so genannte Schlaftagebücher schreiben. Acht Wochen lang mussten sie zudem Messgeräte in Form einer Armbanduhr tragen, wodurch objektive Daten zu den Aufzeichnungen gespeichert wurden. Bei diesen Aktivitätsmessungen habe sich gezeigt, dass sich die späten Chronotypen selbst vier Wochen nach der Umstellung noch nicht angepasst hätten, betont Kantermann.

"Die Zeitumstellung steht unserem inneren Rhythmus entgegen ", sagt auch der Neurologe Björn Walter vom Schlaflabor des Erfurter Helios-Klinikums. Wenn man Menschen völlig von äußeren Zeitgebern isoliere - beispielsweise unter Bunkerbedingungen - dann stelle sich kein 24-Stunden-Rhythmus ein, sondern ein biologischer Rhythmus, der rund 25 Stunden betrage.

"Bedenkt man dies und sieht zudem, dass uns bei der Zeitumstellung eine Stunde gewissermaßen ,gestohlen wird, so kann man sich erklären, dass es besonders bei den ,Eulen-Typen zu einem Mini-Jetlag kommt ", meint Walter. Diese Zeitumstellung hält der Schlafforscher aus medizinischer Sicht nicht für so glücklich: "Sinnvoller wäre es, eine konstante Zeit beizubehalten. " AP

SÜDWEST PRESSE,28.03.2008

Letzte Änderung: 28.03.2008