Supermärkte im Visier
In vielen Supermärkten werden Mitarbeiter heimlich überwacht, behauptet Verdi. Bundesminister Horst Seehofer will Angestellte besser schützen.
Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) hat ein Datenschutzgesetz für Arbeitnehmer gefordert. Er reagierte damit auf die Vorkommnisse in der Supermarktkette Lidl, die nach Gewerkschaftsangaben auch bei anderen
Discountern üblich sind.
Wie in der vergangenen Woche berichtet worden war, sollen Detektive Lidl-Beschäftigte in zahlreichen Filialen systematisch überwacht haben. Mit Kameras sei registriert worden, wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen, wer mit wem möglicherweise ein Verhältnis hat und wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist. Das Neckarsulmer Unternehmen hatte sich wegen dieser Methoden bei seinen Mitarbeitern entschuldigt.
In Zeiten der neuen technischen Möglichkeiten sei ein Datenschutzgesetz für Arbeitnehmer überfällig, sagte Seehofer. Überdies sei eine exemplarische Geldbuße bei Spitzeleien unvermeidlich. "Die zuständigen Behörden sind hier aufgefordert, mit der vollen Härte des Gesetzes eine Strafe zu wählen, die von Großunternehmen nicht aus der Portokasse bestritten werden kann ", forderte Seehofer. Die Überwachungsmethoden von Lidl seien "unwürdig und mit den Grundwerten unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen. " Das Datenschutzgesetz verbiete die heimliche Überwachung von Mitarbeitern. Die Bespitzelung und das Ausschnüffeln der Privatsphäre von Mitarbeitern bis hin zur Toilette seien ein klarer Verstoß gegen die Menschenwürde.
Die Vorgänge bei Lidl sind nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi keine Ausnahme in deutschen Handelsketten. "Das ist deutlich üblicher als man denkt ", sagte der Handelssekretär der Gewerkschaft, Achim Neumann, am Wochenende. "Es gehört zu den Führungsprinzipien vieler Discounter, Leistungsdruck und ein Klima der Angst zu erzeugen. " Viele Mitarbeiter hätten der Gewerkschaft in der Vergangenheit von Überwachungsmaßnahmen in Discountern berichtet, wagten aber keine öffentliche Aussage.
Nach Verdi-Darstellung spähen bei einer Drogeriekette Detektive und Sicherheitskräfte stundenlang durch Lochwände in die Verkaufsräume. Dies diene angeblich dem Schutz vor Ladendieben. Viele Beschäftigte
hätten jedoch den Eindruck, dass ihr persönliches Verhalten ausgespäht werde.
SÜDWEST PRESSE,01.04.2008
Letzte Änderung: 01.04.2008