Umgang mit dem Kind nicht erzwingbar

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02.04.2008 Umgang mit dem Kind kann nicht erzwungen werden Bundesverfassungsgericht: Anspruch auf Erziehung durch die Eltern

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Kindern gegenüber ihren Eltern gestärkt. Kinder haben demnach einen "eigenen Anspruch auf Pflege und Erziehung durch ihre Eltern". Die Erziehungspflicht hätten die Eltern nicht allein im Auftrag des Staates zu erfüllen, sondern auch ihrem Kind gegenüber. Eltern dürfen jedoch nicht zum Umgang mit einem nichtehelichen Kind gezwungen werden. Ein solcher Zwangsumgang diene in der Regel nicht dem Kindeswohl.

Die Verfassungsbeschwerde eines Vaters aus Brandenburg an der Havel war damit erfolgreich. Ihm drohte ein Zwangsgeld, falls er sich weiter weigern sollte, seinen heute neunjährigen, nichtehelichen Sohn zu sehen. Der verheiratete Mann hat zudem zwei minderjährige Kinder aus seiner Ehe. Er hat die Vaterschaft für den Jungen anerkannt und leistet Unterhalt. Das Kind hat er aber noch nie gesehen, weil dies nach seiner Ansicht zum Zerbrechen seiner Ehe führen würde. (Az.: BvR 1620/04).

KOMMENTAR · UMGANGSRECHT: Vaterpflichten
Das Bundesverfassungsgericht ist derzeit hochaktiv. Nahezu im Monatstakt erfinden die Richter in Karlsruhe ein neues Recht. Gestern: das Recht des Kindes, von seinen Eltern wahrgenommen zu werden. Was diese - im Prinzip - dazu verpflichtet, ihrem Nachwuchs nicht stumm gegenüberzusitzen, sondern sich emotional mit ihm zu befassen. Weil sich Gefühle nicht erzwingen lassen, darf auch der Umgang mit dem Kind nicht erzwungen werden - womit sich die Katze juristisch in den Schwanz beißt.

Auf die Halde skurriler Richtersprüche gehört das Urteil aus Karlsruhe dennoch nicht. An einem bizarren Sonderfall - ein Vater will seine Ehe retten und weigert sich deshalb beharrlich, sein außereheliches Kind zu sehen - demonstriert das Gericht, dass familiärer Umgang nicht ins Belieben der Eltern gestellt ist, sofern er dem Wohl des Kindes dient - und sich dieses nicht einfach durch Unterhaltszahlungen vom Hals schaffen lässt.

Von diesem Symbolwert abgesehen wirft die Entscheidung wenig ab fürs Tagesgeschäft. Sie zeigt nur einmal mehr, wie wenig Recht auszurichten vermag in Situationen, die höchstpersönlichen Charakter haben. Dass die Pflicht der Ehepartner zum Umgang untereinander nicht zwangsweise vollstreckt werden kann, steht sogar im Gesetz. Geht es um die Kinder, wird dagegen gern mit härtesten Bandagen gekämpft - eben weil das Recht der Eltern, ihr Kind zu sehen, erzwungen werden kann. Diese allzu oft missbrauchte Praxis nicht umgekehrt auch noch auf die Eltern auszudehnen, dürfte das Verdienst des Richterspruchs sein - so dient er zumindest dem Vaterwohl. CHRISTOPH FAISST

SÜDWEST PRESSE,02.04.2008

Letzte Änderung: 02.04.2008