Online-Durchsuchung

Vorschaubild

03.04.2008 Justizministerin steht bei der Neuregelung der Online-Durchsuchung auf der Bremse

Die große Koalition streitet weiter über ein Gesetz zur Online-Durchsuchung, das den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar liegt den Befürwortern heimlicher Kontrollen privater Computer schwer im Magen. Danach sollen staatlich veranlasste Online-Durchsuchungen nur unter strengsten Auflagen möglich sein. Es muss ein konkreter Verdacht auf eine Straftat vorliegen, der sich zudem gegen eine bestimmte Person richtet. Obendrein wollen die höchsten Richter den Zugriff der Behörden auf Festplatten und E-Mail-Verkehr auf wenige Kapitaldelikte beschränken.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält es für möglich, das geplante Gesetz ohne Verfassungsänderung so zu formulieren, dass es Justiz und Geheimdienste im Kampf gegen organisiertes Verbrechen und Terrorismus mit einem wirksamen Instrument ausstattet. Dagegen erhebt Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) Widerspruch gegen die von Schäuble favorisierte Regelung.

Der Innenminister will den Sicherheitsbehörden erlauben, Privatwohnungen zu betreten, um an Computern technische Vorkehrungen zur Online-Durchsuchung zu treffen. Seine Kollegin aus dem Justiz-Ressort aber hält dies bereits für eine Durchsuchung der Wohnung und sperrt sich gegen den Gesetzentwurf. In der Union heißt es, ohne einen Passus, der den staatlichen Stellen das Betreten einer Privatwohnung gestattet, um den Zugriff auf Rechner zu ermöglichen, bleibe das Gesetz "ein stumpfes Schwert ". Damit machte die Regierung eine Online-Durchsuchung faktisch zunichte.

CDU-Innenexperte Clemens Binninger klagt gegenüber der SÜDWEST PRESSE: "Es entsteht der Eindruck, dass die Bundesjustizministerin nicht nach Lösungen, sondern nach Problemen sucht. " Wenn man den Behörden aus gutem Grund die heimliche Durchsuchung von Computern erlaube, müsse sichergestellt sein, dass dazu auch physisch auf den Rechner zugegriffen werden kann. Dabei handele es sich, so Binninger, nicht um die Durchsuchung der Wohnung, sondern nur um das Betreten von Räumen. Eine solche Maßnahme sei im Rahmen der Gefahrenabwehr von der geltenden Verfassung gedeckt.

Den Streit der Minister sollen in der nächsten Woche deren Staatssekretäre bei einem Treffen ausräumen. Ob das gelingt, ist zweifelhaft, denn Zypries kann sich auch auf die Bedenken der Datenschützer von Bund und Ländern berufen, die das Thema auf ihrer heute in Berlin beginnenden Konferenz diskutieren.

Unterdessen hat die bayerische Staatsregierung ihr umstrittenes Gesetz zur Online-Durchsuchung nach den Karlsruher Vorgaben entschärft. In der Neufassung reicht nicht mehr ein vager Verdacht, um Computer heimlich anzuzapfen, es müssen konkrete Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen. Online-Durchsuchungen werden außerdem auf wenige Delikte wie Terroranschläge beschränkt, Internetpornografie und Verstöße gegen das Ausländergesetz fielen aus dem Katalog heraus.
SÜDWEST PRESSE,03.04.2008

Letzte Änderung: 03.04.2008