Mehr als nur ein lästiges Übel
Die Steuererklärung ist längst nicht für alle Arbeitnehmer ein Muss. Doch wer darauf verzichtet, verschenkt in aller Regel Geld. Inzwischen kann man sich dem Finanzamt bis zu vier Jahre rückwirkend erklären.
Millionen Arbeitnehmer in Deutschland sparen sich den alljährlichen Stress mit der Steuererklärung. Denn der Chef hat ihre steuerliche Pflicht schließlich übernommen, indem er die Lohnsteuer bereits automatisch vom
Gehalt abzieht und ans Finanzamt schickt. Diese Bequemlichkeit kann allerdings bares Geld kosten.
Auf bis zu 10 Prozent der etwa 40 Millionen abhängig Beschäftigten schätzt Dieter Ondracek, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, die Zahl derjenigen, die keine Steuererklärung abgeben. Andere Schätzungen gehen von bis zu 25 Prozent und mehr aus.
Doch nicht jeden lässt das Finanzamt in Ruhe. Im Gegensatz zu Selbstständigen und Freiberuflern dürfen Arbeitnehmer tatsächlich auf eine Steuererklärung verzichten - wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Das Einkommensteuergesetz regelt, wann es mit der automatisch abgeführten Lohnsteuer allein nicht getan ist und der Arbeitnehmer eine Erklärung abgeben muss, weil der Staat Nachzahlungen von ihm erwartet.
Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Beschäftigte Nebeneinkünfte hat, die mehr als 410 EUR im Jahr betragen. Wenn ein Freibetrag bereits auf der Steuerkarte eingetragen war. Wenn er bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig gearbeitet hat. Wenn der Ehepartner auch Lohn verdient hat und nach der Steuerklasse V oder VI besteuert wurde. Oder wenn er Lohnersatzleistungen wie Mutterschafts-, Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld über 410 EUR bezogen hat.
Singles ohne Kinder, die ausschließlich Einnahmen aus ihrer Arbeit haben, müssten keine Freizeit für die Steuer opfern, sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. Doch wer keine Steuererklärung abgibt, verschenkt in der Regel Geld.
Seit diesem Jahr verschafft der Staat betroffenen Bürgern mehr Luft, sich freiwillig zu viel gezahlte Lohnsteuer zurückzuholen. Anders als früher kann man seine Steuererklärung jetzt vier Jahre rückwirkend abgeben. Bisher waren es zwei Jahre. Das beschloss der Gesetzgeber. Das bedeutet: Angestellte, die ihre Erklärung für 2005 noch nicht gemacht haben und Geld zurückbekämen, können das noch bis 2009 nachholen.
"Wer verzichtet hat, weil er denkt, dass sowieso nichts dabei rausspringt, schneidet sich ins eigene Fleisch ", warnt Erich Nöll vom Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine. Der Fachmann meint: Bei hohem Gehalt beispielsweise ließen sich allein schon über die Kirchensteuer einige hundert Euro zurückholen. Und auch sonst sei meist doch mehr absetzbar als der unerfahrene Laie glaube.
Lohnenswert kann eine freiwillige Erklärung dann sein, wenn man nicht jeden Monat gleich viel verdient hat und der Chef vermutlich zu viel Lohnsteuer abgeführt hat. Beispielsweise wegen Urlaubs- oder Überstundengeld. Wenn man in einem Jahr hohe Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen hatte. Wenn sich Eheleute getrennt veranlagen lassen möchten. Oder wenn man Verluste etwa aus Vermietung und Verpachtung hat. Ein absolutes Muss ist die Steuererklärung für getrennt lebende oder geschiedene Ehepartner, die Unterhalt bekommen. Wer weder Lohn noch Versorgungsbezüge hat, muss ab einer bestimmten Einkommenshöhe eine Erklärung abgeben.
Das kann auch für Rentner gelten. Eine offizielle Benachrichtigung gibt es für sie nicht. Ein Neu-Rentner muss für sich selbst klären, ob er unter die Steuerpflicht fällt oder nicht. Auskünfte kann das Service-Zentrum des zuständigen Finanzamts geben. AP
SÜDWEST PRESSE,11.04.2008
Letzte Änderung: 11.04.2008