Weitere Kürzungen verhindern
Weitere Kürzungen verhindern
"In Zeiten umfassender Sozialreformen droht eine Zusammenlegung der Gerichtsbarkeiten das Vertrauen in den Rechtsschutz zu erschüttern, sagt Peter Masuch, Präsident des Bundessozialgerichts.
Sie sind seit dem 1. Januar 2008 Präsident des Bundessozialgerichts. Gehen Sie möglicherweise in die Geschichte dieses Gerichtes ein als letzter Präsident vor einer Zusammenlegung der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit?
Das glaube ich nicht. Für eine solch aufwendige Veränderung der bewährten Justizstrukturen wird sich keine verfassungsändernde Mehrheit finden. Ich vertraue darauf, dass die besseren Argumente, die eindeutig für die Beibehaltung der spezialisierten Gerichtszweige sprechen, sich nicht zuletzt im Interesse der Leistungsberechtigten auch künftig durchsetzen werden.
Welche Argumente gegen eine Zusammenlegung sind für Sie die stichhaltigsten?
Die Befürworter einer Zusammenlegung sind den Beweis für deren Notwendigkeit schuldig geblieben. Die Sozialgerichtsbarkeit gewährleistet einen effizienten Rechtsschutz für die Bürger, gerade bei Hartz-IV-Verfahren. Eine Zusammenlegung von Gerichtsbarkeiten ist zwangsläufig mit einem erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand sowie Zeitverlusten durch damit einhergehende organisatorische Maßnahmen und Einarbeitungszeiten verbunden. Gerade in Zeiten weitreichender Sozialreformen, in denen die Sozialgerichtsbarkeit ihre spezifische Rechtsschutzfunktion einbringen kann, droht eine Zusammenlegung das wohlbegründete Vertrauen in einen wirksamen Rechtsschutz zu erschüttern. Ich kann es nur als fatal bezeichnen, wenn zu den vielfach notwendigen Einschnitten ins soziale Netz weitere Verkürzungen auch auf Seiten des Rechtsschutzes drohen.
Wie sehen Sie die Diskussion über die Einführung von Gerichtsgebühren an den Sozialgerichten, um die Zahl der Klagen und die Belastung der Gerichte zu reduzieren?
Auch hier gilt: Der Beweis für die Notwendigkeit von Gebühren vor den Sozialgerichten ist nicht geführt, ein entsprechendes Gutachten ist in Vorbereitung. Die in den letzten Jahren aufgelaufene Klagewelle ist auch nicht auf Mutwillen, sondern auf meist berechtigten Klärungsbedarf zurückzuführen. Der Gesetzgeber sollte den faden Beigeschmack vermeiden, den es auslöst, wenn das vermehrte Rechtsschutzbedürfnis mit Gerichtskosten sanktioniert würde. Plausibel ist natürlich, wenn die Länder ein Mittel gegen die wachsenden Gerichtshaltungskosten suchen. Man darf aber die Augen nicht davor verschließen, dass die Gebührenerhebung eine zusätzliche Arbeitsbelastung auslösen würde, weil die Zahl der Prozesskostenhilfeverfahren drastisch ansteigen würde.
Der EuGH überprüft zunehmend die arbeits- und sozialrechtliche Rechtsprechung der Mitgliedsländer. Verliert die deutsche Sozialgerichtsbarkeit dadurch an Kontur?
Das Recht der Europäischen Union bekommt als Rechtsquelle zunehmend Bedeutung im Arbeits- und Sozialrecht, das stellt neue Anforderungen an die Rechtsprechung. Damit geht sicher eine Gewichtsverlagerung auf Ebene der Gesetzgebung in Richtung Europa einher. Für die mitgliedstaatlichen Gerichte erweitert es die Aufgaben. Die Bedeutung des EuGH liegt darin, dass er im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG-Vertrag über Zweifelsfragen des europäischen Rechts entscheidet. Das BSG ist in den einschlägigen Fällen auch zur Anrufung des EuGH verpflichtet. Ich glaube, dass europarechtliche Grundrechte wie die Arbeitnehmerfreizügigkeit und das Diskriminierungsverbot wegen der Staatsangehörigkeit durchaus einen rechtlichen Mehrwert bringen. Unser nationales Sozialrecht ist indessen weit gesteckt, in seinem Kern sehe ich es nicht gefährdet.
Die Juristen der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten ihre Mandanten bis vor das Bundessozialgericht - wie erleben Sie den gewerkschaftlichen Rechtsschutz?
Die Bedeutung des verbandlichen Rechtsschutzes, insbesondere durch die DGB Rechtsschutz GmbH, findet ihren Ausdruck in den Regelungen des § 166 SGG, der die Vertretungsbefugnis von Bevollmächtigten der Gewerkschaften und deren
juristischen Personen sichert. Diese gesetzliche Möglichkeit wird von den Bevollmächtigten in großem Umfang und fachlich tadelloser Weise mit Leben erfüllt. Auch die örtliche Repräsentanz durch zwei speziell
für BSG-Verfahren tätige Bevollmächtigte ist angesichts der hohen Anforderungen, die Beschwerden und Revisionsverfahren vor dem BSG stellen, sicherlich geboten und gerechtfertigt.
QUELLE DGB
Letzte Änderung: 12.04.2008