Achtjährige erkämpft Scheidung

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17.04.2008 Zwangsverheiratetes Mädchen setzt sich im Jemen vor Gericht durch Dass im Jemen Kinder verheiratet werden ist keine Seltenheit.

Für große Aufmerksamkeit sorgt aber der Fall einer Achtjährigen, die die Scheidung erkämpft hat.
Zwei Monate lang ertrug Nujud Nasser alles - Beschimpfungen, Schläge, erzwungenen Sex. Dann hielt es die achtjährige Jemenitin nicht mehr aus. Sie lief weg. Weg von ihrem 22 Jahre älteren Ehemann, weg von ihrem Vater, der sie wenige Wochen zuvor gegen ihren Willen vermählen ließ. Sie zog vor Gericht und erkämpfte ihre Scheidung. Damit entfachte sie eine landesweite Diskussion über Hochzeiten im Kindesalter.

In dem unterentwickelten Land im Südwesten der arabischen Halbinsel gehören arrangierte Hochzeiten von Kindern zum Alltag. Zwar stieg das durchschnittliche Heiratsalter von Mädchen laut einer Studie des "Gender Development Research and Studies Center " in den vergangenen drei Generationen um mehr als vier auf 14,7 Jahre. Die Befragung von 1500 Paaren durch ein Forschungszentrum zeigte aber, dass in ländlichen Regionen Kinderhochzeiten noch oft vorkommen.

Nujud tauchte Anfang April zu allem entschlossen in einem Gericht in Sanaa auf. Sie wollte die Scheidung von ihrem Mann und eine Strafe für ihren Vater. Der habe sie geschlagen und mit Vergewaltigung gedroht, sollte sie den 30-jährigen Fais Ali Thamar nicht heiraten, sagte Nujud der "Yemen Times ".

Die traditionelle Regel, dass der Ehemann mit dem Vollzug der Ehe bis zum Ende der Pubertät warten muss, werde oft gebrochen, berichtet Najat Sajam, Psychologieprofessorin an der Universität Sanaa. Oft schauten die Väter bei der Einwilligung mehr aufs Geld als auf das Wohlergehen des eigenen Kindes. Denn der Koran sieht für die Frau ein Brautgeld vor. Eigentlich soll es der Absicherung der Ehefrau dienen, in der Realität landet es oft im Geldbeutel der Brautfamilie. Auch bei Nujuds Zwangsheirat dürfte Geld eine Rolle gespielt haben. So soll sich der Vater der Achtjährigen vor der Hochzeit seiner Tochter nach Angaben eines Verwandten als Bettler durchgeschlagen haben.

Für die jemenitischen Mädchen hat die frühe Heirat oft gravierende Folgen. So berichtete Nujud von den "schlimmen Dingen ", die ihr Mann ihr angetan habe. "Immer, wenn ich im Garten spielen wollte, hat er mich geschlagen und gesagt, ich soll mit ihm ins Schlafzimmer kommen. " Oft bekommen die Minderjährigen bald das erste Kind. "Die Körper der Mädchen sind einfach noch nicht weit genug entwickelt für eine Schwangerschaft ", empört sich Psychologin Sajam. "Sie sind ja selbst meist noch Kinder. "

Nujuds Vater und ihr Ehemann haben trotz allem gegen kein jemenitisches Gesetz verstoßen. "Das ist alles legal ", sagt Sajam - "leider ".

Nujuds Martyrium hat mittlerweile dennoch ein Ende gefunden. Das Gericht in Sanaa beschloss am Dienstagabend die Scheidung der Achtjährigen von ihrem Ehemann. Nujud muss seiner Familie allerdings eine Entschädigung zahlen. Nach Angaben ihrer Anwältin flossen zunächst umgerechnet rund 150 Euro - Geld von einem anonymen Spender. Die Achtjährige lebt nun bei ihrem Onkel und soll bald der Obhut einer örtlichen Hilfsorganisation übergeben werden.
SÜDWEST PRESSE,17.04.2008

Letzte Änderung: 17.04.2008