Das Ende der stabilen Preise

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28.04.2008 Verbraucher müssen bei Lebensmitteln mit starken Schwankungen rechnen Die Verbraucher in Deutschland müssen sich an teurere Lebensmittel und starke Preisschwankungen gewöhnen.

Für die Landwirte bedeutet diese Entwicklung laut Ifo-Institut zusätzliche Risiken.
Die drastischen Preisschwankungen bei Lebensmitteln werden nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts kein Einzelfall bleiben. Verbraucher und Bauern in Deutschland müssen sich wegen der Reformen in der EU-Agrarpolitik und Veränderungen des Weltmarkts darauf einstellen, dass Schwankungen zum Normalfall werden. "Durch die größere Öffnung zu den Weltmärkten schwanken die Preise mehr ", sagte der Ifo-Agrarexperte Manfred Schöpe. Langfristig werde das Preisniveau steigen.

Vor allem für die Bauern bedeuteten kurzfristige Preisschwankungen sehr hohe Risiken, sagte Schöpe. "Zur Zeit der Aussaat wissen die Bauern noch nicht, wie die Preise bei der Ernte sein werden. " Schöpe empfiehlt daher eine Risikoabsicherung für die Landwirtschaft. "Damit muss sich auch die Agrarpolitik befassen. Versicherungswirtschaft und Warenbörsen tun dies bereits. "

Die EU-Subventionen für die Landwirtschaft hält Schöpe insoweit für sinnvoll, wie sie durch unsere hohen Sozial- und Umweltstandards zu rechtfertigen sind: "Wenn man die europäischen Sozial- und Umweltstandards einhalten will, kann man hier nicht zu Billigpreisen produzieren. "

In der Vergangenheit seien Preisschwankungen bei Lebensmitteln in Europa durch die gemeinsame EU-Agrarpolitik ausgeglichen worden, sagte Schöpe. So sei bei niedrigen Weltmarktpreisen zum Beispiel Butter eingelagert und bei anziehender Nachfrage wieder auf den Markt gebracht worden. "Außerdem haben die Spekulanten, die sich früher auf den Rohstoffmärkten engagieren, inzwischen auch die Agrarmärkte entdeckt. Das verstärkt die Schwankungen. "

Die Lebensmittelpreise hätten sich in Europa über lange Zeit kaum verändert, sagte Schöpe. "Gemessen an der realen Kaufkraft kostet ein Ei heute sogar deutlich weniger als vor 30 Jahren. " Weltweit wachse die Nachfrage nach Agrarprodukten jedoch schneller als das Angebot, so dass langfristig mit steigenden Preisen zu rechnen sei. Auch der Einzelhandel rechnet für die Zukunft mit stärkeren Schwankungen bei den Lebensmittelpreisen.

Die Vorwürfe des Bauernverbands, es habe Preisabsprachen bei Milch gegeben, wies Josef Sanktjohanser, Präsident des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels zurück. Die Einzelhandelsunternehmen stehen nach seinen Worten in einem harten Wettbewerb untereinander: "Preisvorteile werden unmittelbar an die Kunden weitergereicht. Deshalb sind bei uns auch die Lebensmittelpreise wesentlich niedriger als in allen anderen Ländern. Für Kartelle ist da kein Raum. " Der scharfe Wettbewerb sorge dafür, dass die Lebensmittel in Deutschland bezahlbar bleiben.

Anders sieht das in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern aus. In Afrika und Mittelamerika sind die Preise für Grundnahrungsmittel mittlerweile bedrohliches Problem, das nach Einschätzung der Welthungerhilfe bestehen bleibt. Die Preise würden zwar künftig langsamer steigen, aber auch nicht mehr auf ihre alten, deutlich niedrigeren Niveaus zurückkehren, sagte der Generalsekretär der Organisation, Hans-Joachim Preuß, bei der Landesversammlung des Bayerischen Bauernverbandes. Dies führe in Entwicklungsländern, in denen Familien bis zu 80 Prozent des Einkommens für Lebensmittel ausgeben, zu massiven Problemen.

Wegen der weltweiten Hungerkrise fordert die Welternährungsorganisation FAO die internationale Gemeinschaft zu schneller Hilfe aufgefordert. "Zusätzlich zu Lebensmittellieferungen in Krisenregionen müssen wir den Bauern in den Entwicklungsländern Zugang zu Saatgut und Dünger verschaffen ", betont FAO-Generaldirektor Jacques. Ansonsten falle die nächste Ernte aus, und das Hungerproblem werde noch größer. "Wer die Armut bekämpfen wolle, müsse die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern ausbauen, damit sie sich mit Nahrungsmitteln versorgen können. " Die steigenden Lebensmittelpreise kämen derzeit nicht den Bauern in armen Ländern zu Gute, sondern nur den Handelsfirmen.
Südwest Presse,28.04.2008

Letzte Änderung: 28.04.2008