Mit voller Kraft auf Gas und Bremse

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22.05.2008 Im Ideenpark lernen Kinder vor allem eines: Technik macht Spaß Der Ansturm ist gewaltig: Kinder drängen sich mit Eltern und Großeltern in den Ideenpark in Stuttgart.

Der beweist in den nächsten Tagen vor allem noch eines: Technik ist spannend - und zwar für alle.
Der Stand von Volker Sohm und Michael Barsch ist umlagert. "So geht das die ganze Zeit", sagt Sohm, der Ingenieur für Maschinenbau. Die beiden Techniker - Barsch lässt sich zum IT-Systemelektroniker ausbilden - präsentieren in der Halle 6 der Landesmesse einen Simulator, auf dem die jungen Besucher virtuell durch die Stadt kutschieren. "Besonders gern fahren die Kinder über die rote Ampel. Dann wird geblitzt", erzählt Sohm. Die kleine Leonie kriegt ganz rote Wangen: Das erste Mal, dass sie am Steuer sitzt, Kupplung, Gas und Bremse bedienen darf. Sie macht das auf Anhieb ganz gut. "Das hat Spaß gemacht", bekennt sie nach der Fahrt.

Was Sohm und Barsch zeigen, ist eine Start-Stopp-Automatik der Firma Bosch. Der Motor des Simulators geht aus, wenn das Fahrzeug anhält. Und springt wieder an, sobald der Fahrer die Kupplung drückt. Die Unterbrechung "lohnt sich ab einer Sekunde", erläutert Sohm den Umstehenden. Sie lauschen ihm gebannt, der Ingenieur kann Technik gut vermitteln. Er sagt natürlich auch, was das Ganze soll. "Allein die Start-Stopp-Vorrichtung", macht er einem kleinen Stöpsel klar, der verblüfft zu ihm aufschaut, "bringt acht Prozent Sprit-Ersparnis."

Ein paar Stände weiter verklickern die Studentin Maxi Kanold und ihr Kommilitone Thomas Welte von der Universität Stuttgart unermüdlich das Potenzial von echten Schwämmen. "Die Stimme versagt schon vom vielen Erklären", krächzt Welte, um gleich weiter mit den Besuchern über die bioaktiven Stoffe der Schwämme zu fachsimpeln, aus denen antibakterielle Medikamente hergestellt werden können. Die können aber auch, eingemischt in Farbe zum Anstreichen von Schiffen, das Fouling verhindern: Das Anwachsen von Muscheln und Algen am Schiffsrumpf unter der Wasserlinie.

Das Interesse ist riesengroß am Ideenpark. Auch gestern strömten die Leute. Eltern mit ihren Kinder, Großeltern mit ihren Enkeln, Kinderwagen schiebende Väter und Mütter mit Rucksäcken stellten sich in Massen auf der Landesmesse ein. Mehr als 20 000 Besucher passierten bei freiem Eintritt die Sperren, die 100 000-er-Marke wurde gestern nach vier Öffnungstagen übertroffen. Die starke Resonanz auf die Technik-Erlebniswelt dürfte auch in den nächsten Tagen anhalten. Das Ziel, 250 000 Besucher bis zum 25. Mai zu erreichen, erscheint realistisch. "Unsere Erwartungen sind voll erfüllt", sagte ein Sprecher des Veranstalters.

Gestern standen die Besucher wieder Schlange vor der Erlebniswelt in Halle 6. Die Sicherheitsleute ließen sie oft erst nach einer halbstündigen Wartezeit ein. Voll besetzte Ränge und Gedränge an der Galerie vor der Ideenpark-Bühne, als Professor Ulrich Stroth von der Universität Stuttgart über "Plasmen, unsere guten Geister" referierte und Professor Lars Wesemann von der Universität Tübingen später erläuterte, warum Wasser flüssig ist. Auch als Bundesforschungsministerin Annette Schavan mit dem Thyssen-Krupp-Vorstandsvorsitzenden Ekkehard Schulz diskutierte, ganz konventionell ohne experimentelles Beiwerk, gab es keinen freien Sitzplatz mehr auf der Ideenpark-Bühne.

Schulz warb ein weiteres Mal dafür, in jungen Menschen das Interesse für Technik zu wecken. In Deutschland, klagte er, fehlten 70 000 Ingenieure - "eine dramatische Größenordnung". Was ihm besondere Sorgen bereitet: Die Lücke wird immer größer. Jedes Jahr schließen 10 000 Ingenieure zu wenig an den Hochschulen ab. Dabei sei Deutschland nicht technikfeindlich, meint Schulz. Doch die Menschen, so der Manager, interessierten sich nicht dafür, wie Technik funktioniert.

Anders auf dem Ideenpark. Dort ist zu sehen, welche Faszination gut präsentierte Technik auszulösen vermag. Marietta Seifert und Norbert Martin vom Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden zählen mit ihrer Mini-Magnetschwebebahn "Supratrans" zu den Stars in Halle sechs. Vor aller Augen kühlen sie mit flüssigem Stickstoff (minus 200 Grad) ein spezielles Keramikstück aus Yttriumbariumkupferoxid und bringen es zum Schweben. Vor den verblüfften Kinder zischt das Teil blitzschnell sogar über eine Fünf-Cent-Münze, ohne von der Magnetbahn abzukommen.

SÜDWEST PRESSE, 21.05.2008

Letzte Änderung: 22.05.2008