Koalition - Streit um den Mindestlohn

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16.09.2008 Arbeitsminister Scholz will Ausweitung - Oettinger: Vorerst keine Zustimmung im Bundesrat

Beim Mindestlohn droht in den nächsten Wochen heftiger Streit in der Koalition. Ministerpräsident Günther Oettinger ist gegen schärfere Regeln.
Rund 1,8 Millionen Arbeitnehmer auf dem Bau, bei Gebäudereinigern und in der Briefzustellung kommen in den Genuss eines Mindestlohns. Diese Zahl will Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SDP) verdoppeln. Doch ob ihm das mit den beiden Gesetzesentwürfen gelingt, die derzeit in Berlin beraten werden, ist offen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) will sie am liebsten verhindern.

Zumindest will er ihnen am Freitag bei den ersten Beratungen des Bundesrats die Zustimmung verweigern, betonte er gestern nach einem Gespräch mit dem Präsidium der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. "So wenig Mindestlohn in so wenig Branchen wie möglich ", ist seine Devise - zur Freude von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, der am liebsten die ganzen Gesetze in den Papierkorb befördern würde. Für ihn sind die Pläne von Scholz die Ermächtigung zur Lohnfestsetzung durch den Staat und der Freibrief, Tarifverträge außer Kraft zu setzen.

Die Gesetzesentwürfe hatte das Bundeskabinett vor der Sommerpause gebilligt. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe ihre Zusage nicht eingehalten, dass die Tarifautonomie uneingeschränkt Vorrang haben muss, beklagt Hundt. Letztlich könnte die Regierung künftig einen Mindestlohn als zu niedrig kippen, den Arbeitgeber und Gewerkschaften vereinbart haben, wenn es etwa für eine Branche mehrere Tarifverträge gibt.

Genau das ist in der Zeitarbeit der Fall, und diese große Branche ist der zentrale Streitpunkt: Die SPD-Vize Andrea Nahles beklagte gerade wieder, der Mindestlohn werde "teilweise massiv unterboten ", den die großen Anbieter mit der DGB-Gewerkschaft Verdi vereinbart haben. Tatsächlich liegen die Christlichen Gewerkschaften mit ihrem Vertrag mit einem Arbeitgeberverband von Mittelständlern unter diesen Beträgen.

Doch Merkel steht bei den Arbeitgebern im Wort, dass für die Zeitarbeit kein Mindestlohn eingeführt wird. Auch Oettinger ist hier strikt dagegen. Ende des Monats soll eine Arbeitsgruppe der Koalition unter Leitung von Scholz die Branchen festlegen, für die ein Mindestlohn eingeführt wird.

Eigentlich sollen die Gesetze noch in diesem Jahr beschlossen werden. Doch das geht nur mit Zustimmung der Länderkammer. Ob sie mitspielen, hält Oettinger für offen. Zumindest die Mehrzahl der unionsgeführten Länder sei dagegen. Wie es allerdings genau aussieht, dürfte sich erst im Gespräch der Ministerpräsidenten der Union mit Merkel am Donnerstag zeigen.

Könnte die große Koalition am Mindestlohn scheitern? Oettinger verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem sie sich nicht auf dieses Projekt festgelegt hat. Aber vor über einem Jahr hatten sich die Spitzen von Schwarz-Rot im Prinzip auf das geeinigt, was jetzt als Gesetzesentwürfe auf dem Tisch liegt. Doch es läuft wie oft in der Politik: Jede Seite interpretiert dies unterschiedlich.

SÜDWEST PRESSE,16.09.2008

Letzte Änderung: 16.09.2008