Jugendliche in Käfigen festgehalten

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25.09.2008 Demonstranten gegen Rechts erheben Vorwürfe gegen Kölner Polizei

Rund 500 Gegendemonstranten sollen nach den Kölner Protesten unzulässig lange in Käfigen festgehalten worden sein - darunter Jugendliche und Kinder. Mit diesen Vorwürfen beschäftigt sich am Donnerstag (25.09.08) der Innenausschuss des Landtages.

Gegendemonstranten wurden "eingekesselt"

Der aktuelle Anlass für die Beratung der Politiker über den Polizeieinsatz: Am Samstagnachmittag (20.09.08) hatten die Einsatzkräfte am Kölner Rheinufer drei große Gruppen von Demonstranten umzingelt. Rund 500 Personen wurden wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs festgesetzt und in eine zentrale Gefangenensammelstelle in Brühl gebracht. Dazu zählten auch 72 Jugendliche und drei Kinder.

Nach Auskunft von Anni Pues vom anwaltlichen Notdienst wurden die Gefangenen dort in 30 bis 40 Quadratmeter großen "Käfigen" untergebracht, die in Hallen einer ehemaligen Polizeikaserne aufgebaut waren. "Die Verhältnisse waren unbeschreiblich", sagte Pues WDR.de. "So etwas habe ich noch nie erlebt, auch nicht bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Rostock."

Anwältin beklagt Behinderung ihrer Arbeit

Nach Pues' Aussage waren vier Mitarbeiter des Jugendamtes anwesend. Ihr und zwei weiteren Anwälten sei der Zugang zu den Gefangenen systematisch verweigert worden. Sie selbst habe der Polizei wiederholt eine Liste mit 70 Betroffenen vorgelegt - bis 1 Uhr 45 am Sonntagmorgen (21.09.08) habe sie nur mit zwei Gefangenen sprechen dürfen. Auch der anwesenden Richterin vom Amtsgericht Köln seien nur sechs Personen vorgeführt worden.

Diese seien sofort freigelassen worden, weil sie schon zu lange festgehalten wurden. "Wir sammeln derzeit Berichte von Betroffenen und werden kommende Woche gegen die Polizei Köln Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung stellen", kündigte Pues an. "Die Verantwortlichen haben sich einfach über die Judikative (die Gerichtsbarkeit; Anmerkung der Red.) hinweggesetzt. Das kann nicht nur reine Unfähigkeit gewesen sein."

"Organisatorische Überforderung"

Hans-Willi Laumen, Vizepräsident am Amtsgericht Köln, bestätigte WDR.de die Verzögerungen bei der Vorführung der Gefangenen. "Die zuständige Richterin ist etwa um zehn Uhr abends gegangen, weil ihr fast niemand vorgeführt wurde." Eigentlich hätte dies nach Aussage von Laumen spätestens nach vier bis fünf Stunden geschehen müssen.

Die chaotischen Zustände seien aber nicht mit böser Absicht sondern wohl mit einer organisatorischen Überforderung der Polizei zu erklären. "Wir haben uns mit der Polizei getroffen und Gespräche geführt, wie so etwas in Zukunft besser organisiert werden kann", sagte Laumen.

"Ganz normale Schüler"

Besonders die Jugendlichen hätten unter den Bedingungen gelitten, sagt Pues. "Die waren erschüttert." Ihrem Eindruck nach habe es sich vor allem um "ganz normale Schüler" gehandelt, die einfach zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Ein Anruf bei den Eltern sei vielen ohne Begründung verweigert worden - ebenso ein Gang zur Toilette. Außerdem seien viel zu wenig Decken vorhanden gewesen, um sich gegen die Kälte zu schützen. "Die waren alle durchgefroren", sagte Pues. Nach ihren Beobachtungen wurde der letzte Jugendliche erst um 1 Uhr 30 freigelassen - erst zwischen 5 und 8 Uhr morgens wurden alle Gefangenen auf freien Fuß gesetzt.

Polizei will Vorwürfe prüfen

Der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen will die Vorwürfe prüfen lassen. Insbesondere die teilweise weiten Anfahrten der Erziehungsberichtigten könnten Grund für den langen Aufenthalt der Minderjährigen sein, hieß es in einer Presseerklärung. "Einige wussten nicht einmal, dass ihre Kinder an Demonstrationen in Köln teilgenommen hatten."

Polizeisprecher Wolfgang Baldes betonte gegenüber WDR.de, dass noch am Einsatzort Kinder und Jugendliche per Lautsprecherdurchsage aufgefordert wurden, sich zu melden. "Das hat der Großteil auch getan." Diese Gruppe sei nicht zur Gefangenensammelstelle gebracht worden. "Ob die anderen Jugendlichen das ignoriert oder nicht gehört haben, das vermag ich nicht zu sagen." In einigen Tagen werde die interne Untersuchung der Polizei abgeschlossen sein. Erst dann werde es weitere Informationen zum Vorfall geben.

wdr,24.09.2008

Letzte Änderung: 25.09.2008