48 Stunden sind genug

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18.12.2008 Europaparlament lehnt längere Wochenarbeitszeit ab

48 Stunden Arbeit pro Woche sind genug: Mit dieser klaren Botschaft ist das Europaparlament gestern auf Konfliktkurs zur Bundesregierung und anderen europäischen Regierungen gegangen.
Arbeiten bis zum Umfallen? Bewaffnet mit Trillerpfeifen und Transparenten haben über 10 000 Gewerkschafter am Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg ihrem Ärger Luft gemacht. Mit Erfolg: Das Plenum stimmte gestern gegen den von den Mitgliedstaaten vereinbarten Kompromiss zur Verlängerung der Wochenarbeitszeit. Damit bleibt das geltende Limit von 48 Stunden pro Woche vorerst erhalten.

Es sind gute Nachrichten für Ärzte, Polizisten und Feuerwehrleute: Bis zu 65 Wochenarbeitsstunden wollten die EU-Mitgliedstaaten per Gesetz erlauben. Doch diese "Marathonschichten " sind nun vorerst vom Tisch, denn die Europa-Abgeordneten sprachen sich mehrheitlich für maximal 48 Stunden pro Woche aus. Eine Ablehnung kassierten die Länder auch bei ihrem Vorschlag zur Anrechenbarkeit von Bereitschaftsdiensten. Sie pochten darauf, inaktive Bereitschaft nicht als Arbeitszeit zu betrachten. Konkret: Nach Ansicht der Länder sind die Stunden, in der Ärzte auf Abruf eingeteilt sind, keine Arbeitszeit.

Darauf wollten sich die Abgeordneten aber nicht einlassen. "Der Mensch ist keine Maschine, die ohne Ruhepausen durcharbeiten kann ", empörte sich Gabriele Stauner (CSU). Es sei kompletter Unsinn, die Bereitschaftszeit in eine aktive und eine inaktive Phase zu unterteilen. Während des Bereitschaftsdiensts könne der Arbeitnehmer seine Zeit nicht nach seinem freien Willen einteilen, sondern stehe im Verfügungsbereich des Arbeitgebers, so Stauner. "Wir haben die Verlängerung der Höchstarbeitszeit durch die Hintertür verhindert ", erklärte die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt aus Mulfingen (Hohenlohekreis).

Um jedoch der besonderen Situation etwa von Wachdiensten Rechnung zu tragen, soll eine Ausnahmelösung helfen. Die Tarifpartner können die inaktive Bereitschaftszeit unterschiedlich gewichten. "In Ausnahmefällen sind auch Bereitschaftsdienste mit einer Arbeitszeit von über 48 Stunden pro Woche erlaubt ", erklärte die Sozialdemokratin Karin Jöns. Ausnahmen soll es auch für Führungskräfte geben.

Die Gewerkschaften freuten sich über das Ergebnis der Abstimmung. "Arbeits- und Gesundheitsschutz muss ein grundsätzlicher Standard in ganz Europa sein und darf nicht durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschritten werden ", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock. Entsetzen dafür auf der anderen Seite. "Wir sind sehr enttäuscht, dass das Parlament nicht versteht, welche ernsten Folgen dieses Votum auf die krisengebeutelte europäische Wirtschaft haben wird ", sagte Arnaldo Abruzzini, Generalsekretär der Vereinigung europäischer Handelskammern.

tagesschau,19.12.2008

Letzte Änderung: 18.12.2008