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24.01.2009 IG Metall setzt auf Beschäftigungssicherung durch Kurzarbeit

"Keine betriebsbedingten Entlassungen in diesem Jahr" fordert die IG Metall in einem Aktionsprogramm. In der Krise macht sich die Gewerkschaft für Beschäftigungssicherung stark.

Reutlingen. Noch nie habe er in 25 Jahren hauptamtlicher Gewerkschaftsarbeit eine "derartig schwierige Situation" erlebt, stellte der Reutlinger IG-Metall-Chef Gert Bauer gestern in einem Pressegespräch fest - einen Komplex aus Konjunktur- und Finanzkrise sowie einer Krise im Automobilbereich.

Die Antwort der IG Metall ist eindeutig: Sie will "alle gewerkschaftlichen Aktionsinstrumente nutzen", um Arbeitsplätze zu sichern. Neben dem Arbeitszeitkonto und Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag hält man vor allem Kurzarbeit für ein geeignetes Mittel, vom dem derzeit schon zahlreiche Firmen im Metall- und Elektrobereich Gebrauch machen. Unter anderem Bosch, Automotiv Lighting, Still Wagner, Elring-Klinger im Kreis Reutlingen. Corcom in Rottenburg und Magura in Bad Urach sollen im April folgen.

Wafios in Reutlingen hat die Arbeitszeit mittels eines Beschäftigungssicherungsvertrags um fünf Stunden reduziert. Erhebliche Auftragsrückgänge gebe es bei Stoll, wo man wie bei Rösch in Tübingen "wohl bald Einschnitte in die Arbeitszeit" zu erwarten habe.

"Dramatisch" gehe es bei Modine an seinen drei Standorten Tübingen, Kirchentellinsfurt und Pliezhausen zu. Die für Ende 2009 geplante Schließung des Tübinger Werks werde nun auf Mitte 2009 vorgezogen, berichtete Gewerkschaftssekretär Dieter Keiper. Von der 150-köpfigen Belegschaft sind dann 50 Leiharbeiter arbeitslos.

Die verbliebenen 100 Leute der Stammbesetzung kommen in Kirchentellinsfurt und Pliezhausen unter. Allerdings sollen in Kirchentellinsfurt 42 Leute gehen und 80 im Hauptwerk Bonlanden auf den Fildern, wo derzeit 400 Mitarbeiter beschäftigt sind. Von 250 in Kirchentellinsfurt blieben am Ende 190 übrig, von 300 Mitarbeitern im Pliezhausen 220.

Nach anfänglichem Zögern hat man sich nun auch bei Modine für Kurzarbeit an den beiden Standorten Pliezhausen und Kirchentellinsfurt entscheiden. Ab Mitte Februar sollen zwei Tage im Monat weniger gearbeitet werden.

Mit Schließtagen, verkürzten Schichten, Drei- und Viertagewochen habe man zunächst bei Bosch auf den Konjuktureinbruch der Automobilindustrie reagiert. "Aber das ist alles zulasten der Belegschaft gegangen, sagte Betriebsratsvorsitzender Daniel Müller. "Denn bei ausfallenden Schichten fallen auch die Schichtzulagen weg." Seit November werde in Rommelsbach kurzgearbeitet. 50 Prozent betrage derzeit die Quote der 4000 in der Produktion beschäftigten Mitarbeiter am Standort Reutlingen.

Doch mit Entlassungen sei bei Bosch kaum zu rechnen. Da habe man aus der letzten Krise gelernt, als danach beim einsetzenden Aufschwung Facharbeiter fehlten. "Wir fühlen uns stark genug, dem mit Kurzarbeit, Arbeitszeitkonten und Beschäftigungssicherungs-Tarifverträgen entgegenzutreten."

Entlassungen seien allerdings bei kleineren Betrieben zu befürchten, die mit Umsatzeinbußen zu kämpfen haben und wegen eines schlechteren Ratings keine Kredite mehr bekommen. "Es kann also durchaus sein", so Bauer, "dass wir eine Demonstration vor einer Bank organisieren müssen." Sorgen macht man sich bei der IG Metall auch um die Auszubildenden, die es derzeit schwer haben, nach der Lehre in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden.

Rund 70 Prozent der Azubis werden gerade befristet eingestellt, nur noch 30 Prozent unbefristet, stellte Bauer fest. "Wir haben Signale", berichtete Gewerkschaftssekretär Michael Bidmon, "dass immer mehr befristet übernommen und damit nur die Mindestbedingungen des Tarifvertrags erfüllt werden." Es gebe auch Anzeichen, dass einige Firmen selbst dem nicht mehr genügen.

Im Übrigen ist Bauer froh, dass die Politik mit Konjunkturpaketen auf die Krise reagiert, wenn auch das darin enthaltene Investitionsprogramm für Kommunen mit 14 Milliarden Euro dürftig ausgestattet sei. Demgegenüber hält die IG Metall mindestens 100 Milliarden Euro in drei Jahren für erforderlich.

Für erforderlich hält es Bauer auch, dass man nach überstandener Krise das Motto "neues Spiel, neues Glück" aufgebe. Stattdessen bedürfe es neuer Aufsichtsregeln, eines anderen ethischen Verhaltens und eines Verbots von Leerverkäufen. "Da wollen wir aktiv werden." Im Übrigen habe die IG Metall in den nächsten Wochen Gespräche mit Kirchenvetreten geplant.

südwest presse,23.01.2009

Letzte Änderung: 24.01.2009