Burnout lässt sich vermeiden
Nach dem Studium der Arbeits- und Organisationspsychologie an der TU Berlin war die gebürtige Bonnerin drei Jahre für die "Gesellschaft für interdisziplinäre Technikforschung Technologieberatung Arbeitsgestaltung mbH" (GITTA mbH) tätig. Ab 1992 wirkte die 46-Jährige bei der Schering AG und stieg 2004 in die Geschäftsführung der Tochterfirma Jenapharm GmbH & Co. KG auf.
Eine menschengerechte Arbeitsgestaltung verhindert krankheitsbedingte Fehlzeiten, sagt Isabel Rothe, Präsidentin der "Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin" (BAuA) in Dortmund.
"Arm ab" als arbeitsbedingte Krankheit gibt es nur noch selten. Was sind die "modernen" Krankheiten am Arbeitsplatz? Wie können die Arbeitnehmer davor geschützt werden?
Seit 1991 hat sich die Zahl der Arbeitsunfälle mit rund einer Million im Jahr 2006 etwa halbiert. Körperliche und psychische Fehlbelastungen stellen den Arbeitsschutz jedoch noch vor große Herausforderungen. Immerhin verursachen Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems jeden vierten Arbeitsunfähigkeitstag, psychische Störungen jeden zwölften. Mausarm oder Burnout lassen sich durch eine systematische, menschengerechte Arbeitsgestaltung vermeiden. Dazu gehören nicht nur die Faktoren Technik und Ergonomie, sondern auch die Bereiche der Arbeitsorganisation und Qualifizierung, insbesondere unter dem Aspekt des Verhaltens des einzelnen Beschäftigten. Darüber hinaus geht es vor dem Hintergrund immer älterer Belegschaften um die alternsgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen.
Welche rechtlichen Pflichten hat der Arbeitgeber beim Thema Gesundheitsmanagement? Gibt es Statistiken über die Erfüllung dieser Pflichten?
Nach dem Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten und zu verbessern. Als wesentliches Instrument nennt das Gesetz die Gefährdungsbeurteilung, die der Arbeitgeber durchführen muss. Durch die Gefährdungsbeurteilung lässt sich ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess anstoßen. Leider gibt es keine verlässliche Statistik darüber, in welchem Umfang Gefährdungsbeurteilungen in den Betrieben durchgeführt wurden. In Untersuchungen schwanken die Ergebnisse zwischen einem Viertel und zwei Dritteln der Betriebe, die ihrer Verpflichtung wirklich nachkamen.
Müssen die Dokumentationspflichten des Arbeitgebers ausgeweitet werden?
Prinzipiell liegen ausreichende gesetzliche Rahmenbedingungen vor. Wichtig ist es jedoch, dass der Betrieb die Dokumentation nicht als Pflicht, sondern als dynamisches Arbeitsmittel sieht und einsetzt. Erst durch die Dokumentation lässt sich beispielsweise später nachvollziehen, ob durchgeführte Maßnahmen greifen. Art und Umfang der Dokumentation hängen von Faktoren wie Betriebsgröße und Branche ab. Hier bietet die BAuA verschiedene praxisorientierte Lösungen in Form von Maßnahmenkonzepten, Formblättern oder Toolboxen an.
Betriebs- und Personalräte haben beim Gesundheitsschutz im Betrieb ein Mitbestimmungsrecht. Wird dies aus Ihrer Sicht in der Realität ausreichend genutzt?
Allein die vielen Anfragen von Betriebs- und Personalräten bei der BAuA zeigen, dass die Arbeitnehmervertreter ihr Mitbestimmungsrecht beim Arbeitsschutz nutzen. Darüber hinaus informieren sie sich auf Tagungen oder über die zahlreichen Handlungshilfen, Broschüren und Faltblätter beispielsweise zum Thema Mobbing. In Kooperation mit der IG BAU läuft gerade eine gemeinsame Aktion zum Instrument CASA bauen, das zur Arbeitsgestaltung und Gefährdungsbeurteilung in Bauunternehmen und Handwerksbetrieben entwickelt wurde. Insgesamt gehören die Betriebsräte zu den wichtigen Partnern im Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Das deutsche Arbeitsschutzsystem ist bereits jetzt in hohem Maße durch Europa bestimmt. Welche Anforderungen an den Gesetzgeber haben Sie für die Zukunft?
Von einheitlichen Rahmenbedingungen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz profitieren die Beschäftigten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dies darf jedoch nicht auf Kosten des hohen Schutzniveaus erreicht werden, das in Deutschland verwirklicht wurde. Zudem sollte der von Brüssel eingeschlagene Weg, die Wirksamkeit der Richtlinien zu evaluieren, weiter fortgesetzt werden.
Betriebsrat bestimmt mit
Im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG haben Betriebsräte bei Regelungen über den betrieblichen Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Dies umfasst nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts auch die vom Arbeitgeber vorzunehmende Beurteilung der Gefährdung am Arbeitsplatz (§ 5 ArbSchG) und die Unterweisung der Arbeitnehmer über Sicherheit und Arbeitsschutz (§ 12 ArbSchG). Eine Betriebsvereinbarung hierüber dürfe die Beteiligung des Betriebsrats nicht auf ein Beratungsrecht beschränken, erklärten die Richter.
Bundesarbeitsgericht, Beschlüsse vom 8. Juni 2004, Az.1 ABR 04/03 und Az.1 ABR 13/03
dgbrechtsschutz
Letzte Änderung: 03.02.2009