Immer mehr Frauen sind erwerbstätig

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12.02.2009 - aber mit kürzeren Wochenarbeitszeiten (Folge 1)

Angelika Kümmerling, Andreas Jansen, Steffen Lehndorff

Auf den Punkt ...

Der Anteil der Frauen in Deutschland, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, nimmt langfristig zu und betrug 2006 61,5% aller Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren. Auf Vollzeitstellen umgerechnet stagniert dieser Anteil jedoch seit Beginn des Jahrzehnts, weil vor allem durch den Minijob-Boom die Arbeitszeit pro Person abnimmt.

Deutschland geht hier im Vergleich mit anderen europäischen Ländern einen Sonderweg. Die auf Vollzeitstellen umgerechnete Beschäftigungsquote von Frauen ist in den letzten Jahren unter den EU-Durchschnitt gesunken. Die Arbeitszeiten von Frauen (Vollzeit und Teilzeit zusammengenommen) sind die zweitkürzesten in Europa, bei den Teilzeitbeschäftigten sogar die kürzesten.

Bei den Durchschnittsarbeitszeiten aller Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten nimmt die Kluft zwischen den Arbeitszeiten von Männern und Frauen in Deutschland weiter zu.
Trotz aller öffentlichen Debatten über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat sich der Einfluss von Ehe und Kindern auf die Arbeitszeiten von Frauen in den letzten Jahren weiter verstärkt. Verheiratete Frauen und Frauen mit Kindern arbeiten heute deutlich weniger Stunden pro Woche als 2001, und die Schere zwischen ihren Arbeitszeiten und denen von Männern mit Kindern hat sich weiter geöffnet.

Mehr Frauen sind erwerbstätig, aber die Arbeitszeit geht zurück
Deutschland hat das in der europäischen Beschäftigungsstrategie festgelegte Ziel, nach dem die Frauenbeschäftigungsquote bis 2010 bei 60% liegen soll, formal erreicht. 2006 waren 61,5% der Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren erwerbstätig, im Vergleich zu 2001 hatte sich diese Quote um 2,8 Prozentpunkte erhöht (Eurostat 2007).

Die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen ist vor allem den Frauen mit Kindern geschuldet, die weitaus stärker als in den vergangenen zwei Dekaden am Arbeitsmarkt teilnehmen. Es scheint, als würde das konservative deutsche Familienmodell (Lewis 1992, Esping-Andersen 1999), dessen Leitbild der die Familie ernährende Ehemann ist, allmählich in einem gesellschaftlichen Modernisierungsprozess überwunden.
Bei genauerer Betrachtung erweist sich eine derartige Beurteilung jedoch als voreilig. Die Frauenbeschäftigungsquote ist als alleinige Kennziffer nur begrenzt aussagefähig, will man das Ausmaß der weiblichen Partizipation am Arbeitsmarkt bestimmen (Beckmann 2003). Für die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt ist auch die durchschnittliche Zahl der von Frauen geleisteten Wochenstunden entscheidend.

Arbeitet ein sehr hoher Anteil der Frauen Teilzeit oder gar in Minijobs, während die Männer weiterhin mehrheitlich Vollzeit arbeiten, dürften auch die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen im Durchschnitt weiterhin deutlich hinter den von Männern zurück bleiben.
Eine derartige, skeptischere Sichtweise wird durch die Daten des Mikrozensus und der Europäischen Arbeitskräftestichprobe bestätigt. So stieg die Teilzeitquote bei Frauen in Deutschland zwischen 2001 und 2006 von 39,9% auf 45,8% (European Commission 2007). Ein großer Teil dieses Anstiegs geht, wie auch die BA-Statistik zur Entwicklung der geringfügigen Beschäftigung ausweist, auf den Zuwachs bei den Minijobs zurück.

Danach wuchs die ausschließlich geringfügige Beschäftigung bei Frauen von 2,97 Mio. im Dezember 2001 auf 3,32 Mio. im Dezember 2006 an (Bundesagentur für Arbeit 2008). Zwar nahm die durchschnittliche Arbeitszeit der vollzeitbeschäftigten Frauen in diesem Zeitraum leicht zu (von 39,2 auf 39,5 Wochenstunden), während die Arbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Frauen 2006 ebenso wie 2001 18,2 Wochenstunden betrug. Im Zusammenspiel dieser Durchschnittsarbeitszeiten mit der gestiegenen Teilzeitquote verringerte sich jedoch die durchschnittliche Arbeitszeit aller (voll- und teilzeitbeschäftigten) Frauen um über eine Wochenstunde. Kurz: Es sind zwar immer mehr Frauen erwerbstätig,aber pro Kopf bringen sie weniger Arbeitsstunden pro Woche in den Arbeitsmarkt ein.
Eine Analyse der weiblichen Erwerbsbeteiligung greift also zu kurz, wenn sie nicht die Entwicklung der Arbeitszeiten mit einbezieht. In den folgenden Kapiteln wird daher die Arbeitszeitentwicklung in unterschiedlichen Beschäftigtengruppen (u.a. Männer vie Frauen, Ledige vie Verheiratete, Frauen mit und Frauen ohne Kinder) nachgezeichnet und analysiert. (Fortsetzung folgt)

Universität Duisburg Essen für Hans Böckler Stiftung

Letzte Änderung: 17.02.2009