Immer mehr Frauen sind erwerbstätig-

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24.02.2009 aber mit kürzeren Wochenarbeitszeiten. Arbeitszeiten von Frauen im europäischen Vergleich: Brachlegung von Arbeitsvermögen in Deutschland (letzte Folge)

Kinderbetreuung ist zwar in allen Ländern eine Aufgabe, die normativ vor allem den Frauen zugewiesen wird. Dennoch wird europaweit das Problem der Vereinbarung von Kindern und Beruf auf sehr unterschiedlichen Wegen gelöst. Dies zeigt sich auch darin, wie stark die durchschnittlich geleisteten Arbeitszeiten von Frauen in ausgewählten europäischen Ländern variieren.

Zwischen Lettland, dem Land mit der höchsten wöchentlichen Stundenanzahl, und den Niederlanden am anderen Ende der Skala liegen über 15 Stunden. Insgesamt sind die Arbeitszeiten in den mittel- und osteuropäischen Ländern am höchsten, während sie in den Niederlanden und Deutschland am kürzesten sind. Betrachtet man allein die Teilzeitarbeit, dann gibt es kein europäisches Land, in dem Teilzeit arbeitende Frauen so kurze Arbeitszeiten haben wie Westdeutschland (18,2 Wochenstunden).

Die Daten zu den durchschnittlichen Arbeitszeiten ermöglichen es auch, die Beschäftigungsquoten von Frauen in Deutschland mit denen in anderen europäischen Ländern differenzierter zu vergleichen, als es in der üblichen Betrachtungsweise (Zahl der Beschäftigten als Anteil aller Personen im erwerbsfähigen Alter) geschieht. Wie eingangs bemerkt, ist diese Kennziffer nur begrenzt geeignet, um die Partizipation von Frauen am Arbeitsmarkt zu beschreiben. Eine sinnvolle Ergänzung besteht darin, mit Hilfe der durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten die insgesamt von Frauen gearbeiteten Wochenstunden auf Vollzeitstellen (in so genannte "Vollzeitäquivalente") umzurechnen. Das Bild einer hohen Arbeitsmarktintegration von Frauen, das durch die - im EU-Vergleich - überdurchschnittlich hohe Beschäftigungsquote von Frauen in Deutsch-lind suggeriert wird, wird dadurch beträchtlich relativiert (Tabelle 7). Beim Vergleich der Beschäftigungsquoten in Vollzeitäquivalenten rutscht Deutschland auf einen der hinteren Ränge in der EU. Einen zusätzlichen Indikator für das Ausmaß an Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt bietet der Vergleich mit den Beschäftigungsquoten in Vollzeitäquivalenten der Männer in den jeweiligen Ländern ("gender gap"). Auch hier weist Deutschland ein vergleichsweise hohes Maß an Ungleichheit auf und wird darin bei den in diese Darstellung aufgenommenen Ländern nur von Italien und Spanien
sowie den Niederlanden übertroffen.

Vergleicht man die Frauen-Beschäftigungsquoten in Vollzeitäquivalenten im Zeitverlauf, so zeigt sich, dass sich die Position Deutschlands im Vergleich mit dem Durchschnitt der EU-Länder seit 2001 sogar verschlechtert hat. Während gemessen an dieser Kennziffer sowohl in der EU-15 als auch der erweiterten EU-27 die Arbeitsmarktintegration von Frauen in diesem Fünfjahres-Zeitraum zugenommen hat, hat sie in Deutschland stagniert. 2006 war also gegenüber 2001 dieselbe Summe von Arbeitsstunden - bezogen auf alle Frauen im erwerbsfähigen Alter - auf mehr Köpfe verteilt.

Im Prinzip könnte der "gender gap" entweder durch eine Verlängerung der Frauen-Arbeitszeiten bis zum gegenwärtigen Vollzeit-Niveau oder durch eine Reduzierung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten der Männer verringert werden. Letzteres - oder eine Mischung von beidem - könnte in die Herausbildung eines neuen gesellschaftlichen Standards mit "kurzer Vollzeit" münden (Lehndorff 2006). Eine derartige Perspektive zeichnet sich in Deutschland jedoch bislang nicht ab. Die auffallend große Kluft zwischen Vollzeit- und Teilzeit-Wochenarbeitszeiten in Deutschland trägt eher dazu bei, derartige Harmonisierungen bei der Gestaltung der Wochenarbeitszeiten zu erschweren (ein weiterer IAQ/HBS-Arbeitszeit-Monitor wird sich mit den längerfristigen Trends der Arbeitszeit in Deutschland befassen).

Die hier vorgestellten Daten reflektieren eine Vielzahl von unterschiedlichen gesellschaftlichen Normen und politischen Herangehensweisen in der EU hinsichtlich der Gleichstellung der Ge-schlechter auf dem Arbeitsmarkt - von den Familienleitbildern über die Organisation der Kinderbetreuung bis hin zu den Steuer- und Sozialversicherungssystemen (Klammer & Daly 2003; OECD 2007). Insbesondere im Vergleich mit nordeuropäischen Ländern wird deutlich, in welchem Umfang weibliches Arbeitsvermögen in Deutschland nach wie vor brachgelegt wird.

Die Stagnation der Beschäftigungsquoten in Vollzeitäquivalenten bei gleichzeitigem Anstieg der Erwerbstätigenquote weist darauf hin, dass Deutschland noch weit entfernt ist von einer egalitären Arbeitsaufteilung zwischen den Geschlechtern. Stattdessen hat sich in den letzten Jahrzehnten eine "modernisierte Versorgerehe" etabliert (Pfau-Effinger 2001), in der weibliche Erwerbsarbeit zwar weithin als Normalität akzeptiert ist, sich aber in hohem Maße auf Teilzeitbeschäftigung und geringfügige Beschäftigung beschränkt. An die Stelle des männlichen Alleinernährers der Familie ist der männliche Haupternährer getreten.

Dies ermöglicht zwar in begrenztem Maße berufliche Entwicklungsmöglichkeiten, doch die finanzielle Abhängigkeit von Frauen bleibt aufgrund des Hinzuverdienst-Charakters ihrer Erwerbsarbeit weitgehend erhalten - mit Konsequenzen nicht zuletzt für den Erwerb eigener Rentenansprüche.

Fazit

Die Politik setzt für die Beschäftigung von Frauen widersprüchliche Signale: Während die all-mähliche Ausweitung von Kinderbetreuungsangeboten und die Einführung des Elterngeldes Instrumente sind, die die weibliche Beschäftigung fördern, bilden die vom Ehegatten abgeleiteten Ansprüche in der Sozialversicherung, das Ehegattensplitting und die Minijobs entgegen gesetzte Anreizsysteme.

Im Ergebnis steigt der Frauenanteil an der Gesamtbeschäftigung, während die im Schnitt ohnehin bereits niedrige Wochenarbeitszeit noch weiter zurückgeht. Trotz größerer Integration in den Arbeitsmarkt gelangen damit viele Frauen noch nicht über eine Rolle als Hinzuverdienerin im Haushalt hinaus und bleiben damit finanziell abhängig vom Ehemann. Die Modernisierung des Familienleitbilds findet in Deutschland bislang hauptsächlich im öffentlichen Diskurs statt, während seiner breiteren Durchsetzung im Arbeitsalltag und in der privaten Lebenswelt noch große Hindernisse im Wege stehen.

Institut Arbeit und Qualifikation FB Gesellschaftswissenschaften Universität Duisburg-Essen 45117 Essen für Hans Böckler Stiftung

Letzte Änderung: 24.02.2009