Tauziehen um Jobcenter

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28.02.2009 Union im Bundestag sträubt sich gegen Grundgesetzänderung

Die Betreuung der Langzeitarbeitslosen hängt weiter in der Luft: Die Union stimmt zwar in den Ländern einer Verfassungsänderung zur Reform der Jobcenter zu. Aber die Bundestagsfraktion ist dagegen.
"Wir müssen weiterkommen ", fordert Monika Stolz (CDU). Daher trägt die baden-württembergische Sozialministerin zusammen mit ihren Länderkollegen mit CDU- und CSU-Parteibuch den Kompromiss zur Neuorganisation der Jobcenter mit, sagte sie der SÜDWEST PRESSE. Diese sollen künftig Zentren für Arbeit und Grundsicherung (ZAG) heißen und als Anstalten des öffentlichen Rechts mit Personalhoheit und eigenem Haushalt organisiert sein.

Das hatte Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen/CDU) und Kurt Beck (Rheinland-Pfalz/SPD) ausgehandelt. Doch trotz der Zustimmung der Länder will die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag nicht mitspielen, hieß es gestern.

Die Jobcenter sollten die Betreuung der Langzeitarbeitslosen aus einer Hand ermöglichen. Dabei sind die Arbeitsagenturen für die Jobvermittlung und die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II zuständig, die Kommunen für Mietkosten und soziale Betreuung. Doch eine Bundesbehörde und eine Gemeinde unter einem Dach widerspricht dem Grundgesetz, entschied das Bundesverfassungsgericht Ende 2007.

Die rund 60 000 Mitarbeiter der Jobcenter sind seit Monaten verunsichert, wie es mit ihnen weitergeht. Zwar muss eine Neuregelung nach dem Urteil erst bis zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Aber die Verträge zwischen Arbeitsagenturen und Kommunen zur Einrichtung der Jobcenter laufen meist Ende 2009 aus. Außerdem gibt es schon lange Klagen, dass deren Geschäftsführer zu wenig Kompetenzen haben. Insbesondere können sie kein eigenes Personal einstellen: Die Mitarbeiter sind von Arbeitsagenturen und Kommunen nur ausgeliehen; die Geschäftsführer sind nicht ihre Vorgesetzten.

Nach dem Kompromiss soll das Problem durch eine Verfassungsänderung gelöst werden. Aus der Unions-Bundestagsfraktion kam rasch Widerspruch: Wenn die Jobcenter verfassungswidrig sind, solle nicht einfach das Grundgesetz geändert werden. "Politik muss entscheiden ", setzt dem Stolz entgegen. Ihr ist wichtig, dass das Optionsmodell abgesichert ist, nach dem 69 Kommunen die gesamte Betreuung in alleiniger Regie übernehmen können.

Dies war bisher auf fünf Jahre beschränkt, doch soll die Befristung gestrichen werden. Dagegen lehnte die SPD die Forderung der Union ab, dass sich mehr Städte und Kreise für dieses Modell entscheiden können. Stolz sieht gewährleistet, dass die Langzeitarbeitslosen auch künftig aus einer Hand betreut werden. Über Detailfragen könne im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens verhandelt werden.

Das eilt: Soll die Neuregelung noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden, muss das Gesetz in den nächsten Tagen in den Bundestag eingebracht werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sehe das Verfahren noch nicht gescheitert, betonte ihr Sprecher. Sie reagierte allerdings nicht auf Forderungen aus der SPD, ein Machtwort zu sprechen. Das CDU-Präsidium und die Fraktion wollen sich in der nächsten Woche mit dem Thema beschäftigen. Die SPD will es voraussichtlich am Mittwoch im Koalitionsausschuss ansprechen.

Offen ist auch noch, ob die FDP in den Ländern mitspielt. Denn zumindest dort wird sie für die nötige Zweidrittelmehrheit für die Grundgesetzänderung benötigt. Für ihren Arbeitsmarktpolitiker Heinrich L. Kolb ist entscheidend, dass es bei den Optionskommunen mehr Flexibilität gibt. Doch bei Scholz sieht er kein Entgegenkommen.

Drei Organisationsmodelle

Anfang 2005 wurden Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt. Für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen gibt es seither drei Modelle:

In 370 Arbeitsgemeinschaften haben sich Arbeitsagenturen und Kommunen zusammengeschlossen und Jobcenter eingerichtet.

69 Kreise und kreisfreie Städte haben sich freiwillig entschieden, die Langzeitarbeitslosen ohne die Arbeitsagenturen zu betreuen (Optionsmodell).

In etwa 20 Fällen konnten sich Kommunen und Agenturen nicht einigen; sie arbeiten hier getrennt voneinander. dik

südwest presse,28.02.2009

Letzte Änderung: 02.03.2009