Der große Stapler soll bleiben

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09.07.2009 OB Barbara Bosch und Beschäftigte demonstrierten gemeinsam für Still-Wagner

Still-Wagner-Beschäftigte setzen darauf, dass sie mit Protesten ihr profitables Werk vor einer scheibchenweisen Schließung retten können.

Nicht nur Beschäftigte von Still-Wagner formten gestern den Zug durch Mittelstadt. Mehr als 700 Demonstranten setzten sich für den Erhalt aller Arbeitsplätze im Stapler-Werk ein. Den Namen der Muttergesellschaft Kion buchstabierten sie mit Kämpfen ist organisierte Notwehr.

Mittelstadt. "Wir lassen uns unseren Stapler nicht nehmen." Das war die Kernforderung von Harry Mischke, Betriebsratsvorsitzender des Stapler-Bauers Still-Wagner. Er sprach gestern Nachmittag auf einer Kundgebung im Ortszentrum von Mittelstadt. So wie die anderen Redner dort befürchtete er die Schließung des Standortes, wenn wie geplant die Fertigung eines Hochregalstapler verlagert wird.

Ein langer Demo-Zug wand sich ausgehend vom Werk I von Still-Wagner durch den Ort. Dort wird der so genannte FM-Stapler gebaut. "Wir brauchen das Werk I", sagte Mischke. "Wir wollen keine Service-Gesellschaft." Kion bietet anstelle der wegfallenden Arbeitsplätze zwei Jahre Beschäftigung in einer Servicegesellschaft. Das sei nur eine Verzögerung auf dem Weg in die Arbeitslosigkeit, meinte Mischke. Die Konzernstrategen bezeichnete er als "Heuschrecken, die den großen Reibach machen wollen". Die amerikanischen Investment-Gesellschaften von KKR und Goldman-Sachs, die hinter Kion stehen, seien durch steigende Zinsen unter Druck und setzten auf Werksschließungen. Dabei sei Mittelstadt profitabel. 360 000 Euro Umsatz erwirtschafteten dort zuletzt die Beschäftigten pro Kopf und erzielten eine Umsatzrendite von gut 16 Prozent.

Mischke erinnerte daran, dass es einen Beschäftigungs- und Standortsicherungsvertrag für Mittelstadt gebe, der bis 2010 läuft. Als Gegenleistung hätten die Beschäftigten durch Verzicht auf Lohnerhöhungen etwa 15 Millionen Euro für die Garantien eingebracht. Dieser Vertrag sei für schlechte Zeiten gemacht und jetzt einzuhalten.

Reutlingens Oberbürgermeisterin Barbara Bosch brachte andere Millionen ins Gespräch. Bei der letzten angedrohten Produktionsverlagerung kaufte die Stadt der Firma für drei Millionen Euro ein Grundstück ab und erhielt im Gegenzug eine Standort-Garantie bis 2015. Als letzte Konsequenz drohte die OB mit Rückabwicklung dieses Geschäfts. "Ich will aber in erster Linie, dass die lukrative Stapler-Linie erhalten bleibt", stimmte sie in die allgemeine Forderung ein. Wenn schon ein Werk, das Gewinne abwirft, von Schließung bedroht sei, "dann gibt es keine Schutz mehr vor Arbeitsplatzabbau".

"Entschlossen und machtvoll" werden sich die Beschäftigten dagegen wehren, kündigte Jörg Hofmann, Bezirksleiter der IG Metall an. Mischke erinnerte an die Vergangenheit als Mitte der 90er Jahre die Schließung des Stahlbaus verhindert wurde und auch an den Erfolg aus den Jahren 2005/06 als es auch um Verlagerung ging. Die Geschäftsleitung habe ihm in den seit Fronleichnam dauernden Gesprächen gesagt, diesmal sei der Kampf aussichtslos. Für den Betriebsratsvorsitzenden war die Demo am Mittwoch aber erst der Anfang der Proteste: "Die werden uns noch kennen lernen."

Solidaritätsgrüße an die Still-Wagner Belegschaft gab es von Landrat Thomas Reumann, auch der CDU-Landtagsabgeordnete Dieter Hillebrand sicherte volle Unterstützung zu. Sein SPD-Kollege Rudolf Hausmann marschierte beim Demo-Zug mit. Dem Industriepfarrer Jens Junginger fiel bei der Kundgebung die Aufgabe zu, der Geschäftsleitung ins Gewissen zu reden. Ihre Maßlosigkeit beim Proftitstreben solle sie durch Verantwortung ersetzen. Er erinnerte daran, dass "Geld nicht arbeitet. Kapital entsteht nur durch Arbeit."

Die Befürchtung: Stapler weg, Standort zu

Der Stapler-Konzern Kion (Jahresumsatz 2008 weltweit 4,6 Milliarden Euro) will den Hochregalstapler FM nicht mehr in Mittelstadt sondern bald in Hamburg produzieren. Der Stapler ist aber für rund zwei Drittel des letzten Jahresumsatz von 182 Millionen Euro in Mittelstadt verantwortlich. 260 von 460 Arbeitsplätzen würden durch die Verlagerung wegfallen. Der Betriebsrat fürchtet die Verlagerung deshalb als ersten Schritt zur Werksschließung.

Text: Mario Beisswenger
schwäbisches tagblatt,09.07.2009

Letzte Änderung: 09.07.2009