Briefe an kranke Mitarbeiter

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15.12.2009 Konflikt um Betriebsrat bei Drogerie Müller

Firmengründer rechtfertigt Briefe an kranke Mitarbeiter - Expansion mit 40 neuen Filialen

Der Konflikt um die Gründung eines Betriebsrats in der Logistik von Drogerie-Müller ist vor dem Arbeitsgericht Ulm gelandet. Unternehmensgründer Erwin Müller betrachtet sich jedoch als sozialen Arbeitgeber.

Drogerie Müller wird von der Zentrale in Ulm aus gesteuert. Foto: Maria Müssig Ulm Das Drogeriemarkt-Unternehmen Müller (Ulm), die Nummer vier der Branche hinter Schlecker, DM und Rossmann, liegt im Streit mit der Gewerkschaft Verdi um die Einführung eines Betriebsrats in der Logistik. Nachdem Müller aus Sicht von Verdi eine Betriebsversammlung zur Einsetzung eines Wahlvorstands im Juni bewusst im Chaos enden ließ, steht Mitte September ein zweiter Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Ulm an. Dabei geht es darum, ob für die fünf Lagerbetriebe Müllers in Ulm/Neu-Ulm jeweils eine separate Mitarbeitervertretung gewählt werden muss.

Rainer Dacke von Verdi Ostwürttemberg-Ulm berichtete, die Initiative zur Gründung eines Betriebsrats sei entstanden, nachdem die Logistikleitung die Arbeiter während des Weihnachtsgeschäfts 2007 im Zentrallager eingesperrt habe. So sollte demnach sichergestellt werden, dass sie noch angeordnete Überstunden bis 23 Uhr ableisten.

Der Gründer der Drogeriemarkt-Kette und Firmenchef Erwin Müller (74) bestreitet dies freilich: "Das ist unwahr." Schließlich müssten die Fluchtwege offen bleiben. Müller ließ durchblicken, dass er das 1953 als Friseursalon gegründete Unternehmen lange erfolgreich ohne Betriebsrat geführt habe, wollte sich jedoch zu dem laufenden Gerichtsverfahren nicht weiter äußern.

In einer Mitarbeiter-Information vom 14. August hatte Müller allerdings ausgerechnet, dass sich die Kosten für die Gründung eines Betriebsrats bereits auf 384 553 EUR belaufen. Die größten Posten sind dabei Einbußen durch einen Produktivitätsrückgang im Juni/Juli und höhere Krankheitskosten. Verdi hält dies für Unsinn und schlägt Müller vor, sich mehr um die Arbeitsbedingungen im Betrieb zu kümmern.

Müller selbst legte indes Wert auf die Feststellung, dass die Firma, die zwischenzeitlich etwa 21 000 Mitarbeiter in 520 Filialen beschäftigt, ein sozialer Arbeitgeber sei. So habe man die dreiprozentige Tariferhöhung im Einzelhandel um ein Jahr vorgezogen. Die Beschäftigten erhalten auch Personalrabatt sowie kleine Geschenke zu Nikolaus.

Andererseits macht Müller kein Geheimnis aus Briefen, die in der Logistik jüngst an eine Reihe von Mitarbeitern versandt wurden, denen die Firma eine zu hohe Zahl von Krankheitstagen zwischen dem 1. Januar und 30. April 2008 vorhält. Der Durchschnitt habe bei 5,8 Tagen gelegen. Das Logistik-Management legt den Betroffenen nahe, sich nach einem anderen Job umzusehen. Verdi spricht von einer "Unverschämtheit". Müller sagte dazu, er halte es für inakzeptabel, wenn ausländische Mitarbeiter teils aus dem Heimaturlaub die Krankmeldungen hereinschicken, um so ihren Aufenthalt noch zu verlängern.

Ansonsten lege man großen Wert auf Rückkehrergespräche mit Kranken. Falls sie an ihrem Arbeitsplatz leiden, weil sie beispielsweise im Lager schwere Gegenstände heben müssen, sorge die Personalleitung für eine alternative Beschäftigung innerhalb des Unternehmens.

Die Müller Ltd. & Co. KG befindet sich derzeit auf Expansionskurs. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2007/08 (30. Juni) erhöhte sich auf 2,33 Mrd. EUR. Davon wurden 2 Mrd. EUR im Heimatmarkt Deutschland erzielt. Müller will dieses Jahr 40 neue Filialen eröffnen. Die Geschäftsführung mit Erwin Müller und Elke Menold wird um zwei weitere familienfremde Manager ergänzt. Müllers Sohn Reinhard ist nicht mehr operativ im Unternehmen tätig, bleibt aber Gesellschafter. Vater und Sohn verstünden sich gut, sagte Müller, der nächste Woche seinen 75. Geburtstag feiert. Die Firma bleibe in jedem Fall in Familienhand.

südwest presse,15.12.2009

Letzte Änderung: 15.12.2009