Als Frau in der Werkstatt

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20.04.2010 "Girls Day" Am 22. April öffnen Betriebe ihre Türen, um Schülerinnen bei der Berufsorientierung zu helfen.

Nur wenige interessieren sich für Technik. Juliane Hug ist eine Ausnahme, sie wird Werkzeugmechanikerin.
BARBARA WEIMER, DPA

Lehrling Juliane Hug montiert im Progress-Werk im badischen Oberkirch ein Ziehwerkzeug. Foto: dpa Oberkirch Eigentlich wollte Juliane Hug Gärtnerin werden. Nach ihrem Hauptschulabschluss vor mehr als zwei Jahren kam dann aber alles anders. Inzwischen beginnt die 18-Jährige jeden Morgen um 7.00 Uhr mit ihrer Arbeit im Progress-Werk in Oberkirch (Ortenaukreis), einem Zulieferbetrieb für die Auto- und Elektroindustrie. Kolleginnen hat sie dort kaum, denn die meisten Mitarbeiter sind männlich.

Hug wird zur Werkzeugmechanikerin ausgebildet, sie sich damit für einen typischen Männerberuf entschieden. Ausschlaggebend für ihren Meinungswandel war ein einziger Tag während ihrer Schulzeit: Beim "Girls" Day" schnupperte sie zum ersten Mal in ihren heutigen Betrieb hinein; einige Monate später hatte Hug den Ausbildungsvertrag in der Tasche.

Der "Girls Day" ist ein bundesweiter Aktionstag, der Mädchen bei der Berufsorientierung unterstützen soll. Der nächste Termin ist am 22. April. Betriebe, Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit technischen und naturwissenschaftlichen Schwerpunkten öffnen an diesem Tag ihre Türen für den weiblichen Nachwuchs und stellen ihre Ausbildungsmöglichkeiten vor. Denn nach wie vor entscheiden sich junge Frauen vornehmlich für typische Frauenberufe.

Aus ihrer persönlichen Erfahrung heraus kann Hug diesen Trend bestätigen. In ihrem Freundeskreis ist sie die einzige, die einen typischen Männerberuf gewählt hat. Finanziell betrachtet ist das allerdings kein Nachteil, erzählt sie. Im Gegenteil: "Wenn ich mir anschaue, was ich verdiene und was meine Freundinnen verdienen, dann ist das schon ein großer Unterschied." Ihre Arbeit bereite ihr Freude, daher will sie den Beruf auch nach der Ausbildung weiterhin ausüben.

Das hat auch Sandra Müller vor. Die 18-Jährige macht ebenfalls eine Ausbildung zur Werkzeugmechanikerin im Progress-Werk in Oberkirch. Auch sie kam über den "Girls" Day" zu ihrem Beruf. Die beiden jungen Frauen durchlaufen während ihrer Ausbildung unter anderem die Stationen Fräsen, Drehen und Pressen. Darüber hinaus arbeiten sie an der Werkzeugbank. "Ich glaube, man stellt es sich schwerer vor, als es tatsächlich ist", sagte Müller.

Ulrich Schindler ist Ausbildungsleiter für den gewerblichen Bereich des Progress-Werks. Mit dem weiblichen Nachwuchs ist er sehr zufrieden. Pro Jahr beginnen durchschnittlich 17 junge Männer und nur zwei bis drei junge Frauen eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker. "Die Frauen arbeiten sehr genau, sind integriert und bringen ihr Wissen genauso ein wie die Männer. Und wenn es zum Beispiel um Feinwerkmechanik geht, wenn man also Geduld braucht, sind sie fast besser als die Jungs", hat Schindler bemerkt.

"Man muss das Berufswahlverhalten insgesamt aufknacken", sagt Marion Johannsen, Geschäftsführerin der Landesvereinigung der baden-württembergischen Arbeitgeberverbände. In ihren Augen fehlen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen noch immer Frauen. "Die Mädchen sind fit. Das sieht man an ihren Schul- und Universitätsabschlüssen. Wir brauchen einen gewissen Meinungswandel in der Gesellschaft, nicht nur bei den jungen Frauen, sondern auch bei den Eltern", betont sie. In anderen Ländern wie Spanien oder der Türkei gebe es bereits wesentlich mehr Frauen in technischen Berufen. "Wir müssen beide Seiten qualifizieren: junge Männer und junge Frauen. Dann haben wir gute Chancen im internationalen Vergleich."

südwest presse,20.04.2010

Letzte Änderung: 20.04.2010