IHK-RT: kein Ausbildungsplatz wegen BetrVG!

Bitterface

04.09.2006 Als eine sehr gewagte Polemik der IHK Reutlingen zum BetrVG auf dem Rücken junger Menschen bezeichnet die IGM RT-TÜ eine Pressemitteilung des IHK-Geschäftsführers Dr. Wolfgang Epp.

Weil eine Firma das Recht auf Freistellung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eines Betriebsratsmitglieds nicht anerkennen will, sollen Jugendliche keine Ausbildungsstelle erhalten. So wertet die IG Metall Reutlingen-Tübingen den Inhalt der Pressemeldung vom 18.05.2006 der IHK Reutlingen.

In der Pressemitteilung (weiter unten der Link zu den Seiten der IHK RT) heißt es unter anderem:

"Weil durch zusätzliche Azubis die Mitarbeiterzahl auf über 200 angewachsen wäre, hätte ein Betriebsrat freigestellt werden müssen. "Die Folgekosten durch die Freistellung eines Mitarbeiters für die Tätigkeit als Betriebsrat sind momentan nicht tragbar", hatte die Unternehmensleitung der IHK bedauernd mitgeteilt. .... Schließlich schlage ein als Betriebsrat abgestellter Mitarbeiter mit einem Jahresverdienst von durchschnittlich 31.000 Euro zu Buche. Auch eine grundlegende Änderung des Betriebsverfassungsrechts dürfe angesichts der hohen Arbeitslosigkeit nicht tabu sein, um im europäischen Kontext wettbewerbsfähig zu bleiben."

Wenn in einem Betrieb ein Betriebsrat gewählt wird, so kommt auch Arbeit auf denselben zu. Sein Arbeitsvolumen steigert sich je nach Anzahl der Beschäftigten (unabhängig von deren Arbeitszeit!) oder auch der Arbeitgeberseitig ausgelösten Tätigkeit der Betriebsräte. Die Anforderungen an Betriebsräte sind mit den Jahren seit der Schaffung des BetrVG im Jahre 1972 gewaltig angestiegen. Das hat der Gesetzgeber bei der Reform der Betriebsverfassung vor wenigen Jahren berücksichtigt und hat den Schwellenwert für die Freistellung eines BR-Mitglieds auf 200 Beschäftigte gesenkt.

Dem Leser der IHK-Pressemitteilung soll anscheinend vorgegaukelt werden, dass mit Erreichen dieser Zahl plötzlich ein Mensch von der Arbeit freigestellt werden muss, was immense Kosten verursache. Das ist falsch, da ein Betriebsrat mit 199 Menschen, die er zu vertreten hat bestimmt nicht viel weniger zu tun hat, als ein BR, der 200 vertritt. Aber ab dieser Grenze kann ein Betriebsrat gesetzlich geschützt beschließen ein Mitglied von seiner Arbeit freistellen, um die Arbeit des Betriebsrat ohne ständige Abwägung zwischen Job und BR-Arbeit machen zu müssen.

Dieses Recht der Mitbestimmung im Betrieb stellt einen wichtigen Grundpfeiler der deutschen Demokratie dar, welcher aus der Sicht der IGM mit den Äußerungen von Herrn Dr. Epp in Frage gestellt werden.

Letzte Änderung: 21.11.2007